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Der amerikanische Investor (German Edition)

Der amerikanische Investor (German Edition)

Titel: Der amerikanische Investor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Peter Bremer
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vor einer Woche erzählt hatte, und dann hatte er noch hinzugefügt, was allerdings nicht ganz stimmte, weil es genau genommen nur auf den gestrigen Abend zutraf, dass er seit nun bereits fünf Tagen in der Wohnung der fast hundert Jahre alten Frau kein Licht mehr hatte brennen sehen. Er betrachte das Ganze ja auch nur als eine Option. Das hatte er doch gestern mit der Hand auf der Brust oft genug beteuert. Aber wenn da doch jemand in der Wohnung lebt, hatte seine Frau immer wieder dazwischengeworfen. Dann geht es natürlich nicht, hatte er irgendwann gesagt. Aber worüber reden wir denn dann?, hatte seine Frau gefragt. Nun setz doch mal das Weinglas ab!, hatte sie gesagt und dann hatte sie sich erhoben und war in die Küche gegangen, um die Schulbrote der Kinder für den nächsten Tag zu bereiten. Er war noch eine Weile am Tisch sitzen geblieben. Dann, nachdem er erst sein Weinglas und im Stehen auch noch das Weinglas seiner Frau geleert hatte, war er ihr mit neuem Schwung in die Küche gefolgt. Wir reden, weil wir reden müssen, hatte er gesagt. Ich will das alles aber gar nicht hören!, hatte seine Frau gerufen. Das ist doch überhaupt nicht böse gemeint!, hatte er zurückgerufen und war ihr hinterher ins Badezimmer gestolpert. So ist die Welt eben, hatte er gesagt. Wir können doch den Lauf der Dinge nicht ändern, hatte er gesagt. Ein herrlicher, die Welt verzehrender Saharasturm!, hatte er gerufen. Oder hatte er das nur gedacht? Wie lange würde es wohl bei diesen Temperaturen dauern, bis der Geruch eines verwesenden Menschen ins Treppenhaus zog? Er musste unbedingt noch mal in das Nachbarhaus. Am besten jetzt gleich! Ich will doch nur arbeiten!, hatte er gerufen. Jeder Luxus ist mir fremd!, hatte er gerufen. Selbst ein viertel Zimmer könnte schon alle meine Träume erfüllen. Schatz, wenn du mit mir, anstatt mit deiner blöden Freundin im Wohnzimmer herumzusitzen, die Wand betrachtet hättest, dann würden wir doch gar nicht streiten. Wie einen Projektor will ich meine Augen scharf stellen, und nicht nur die neuen Nachbarn werden sich aus ihren Fenstern lehnen, um staunend der tollkühnen Vorstellung auf der Wand zu folgen, sondern auch die fast hundert Jahre alte Frau wird beseelt vom Himmel aus mit ihren welken Armen applaudieren. Du hast mich doch völlig missverstanden!, hatte er gerufen. Du kennst mich doch lange genug, um zu wissen, dass sich hinter dieser Stirn keine dunklen Gedanken verbergen, hatte er gesagt und sich dabei innerlich schelmisch angegrinst. Dann war er erbost ins Wohnzimmer geeilt, um sich die Lippen mit einem Schlückchen Wein zu benetzen. Lass uns lieber über was anderes reden, hatte er noch einlenkend auf der Schwelle zum Zimmer seiner Frau vorgeschlagen. Leck mich am Arsch!, hatte sie geschrien, und mit einem alles erschütternden Knall war die Tür vor seiner Nase zugeflogen.
    Wieder fuhr er sich über die Stirn und wischte sich die Hand an der Hose ab. Im Wohnzimmer dann war er auf und ab gegangen und hatte sich auch noch ein Glas Wein eingeschenkt. Oder war er noch mal auf der Straße gewesen?
    Er schüttelte den Kopf. Hier am offenen Fenster hatte er gestanden und auf die wehende Baumkrone hinabgeblickt.
    Er atmete tief durch. Es war auch für den ganzen Verlauf des Abends äußerst ungünstig gewesen, dass er ausgerechnet gestern, irgendwann im Laufe des Tages, inmitten der größten Hitze die Nachricht im Radio gehört hatte, dass durch das Eintreffen der Saharawinde die Temperaturen in den nächsten Tagen noch einmal deutlich ansteigen würden.
    Mit der Hand begann er sich wild Luft zuzufächeln. Solche Meldungen dürften doch eigentlich gar nicht gebracht werden. Solche Meldungen verführten doch nur zu unguten Gedanken. Noch im Bett, als sich schon alles schummrig um ihn drehte, während er gleichzeitig glaubte, kopfüber senkrecht in die Tiefe zu stürzen, hatte ihn der Gedanke fest umfangen gehalten, dass die Saharawinde schon alles richten würden. War das wirklich der Grund, weshalb er, als er heute Morgen aufgewacht war, zum ersten Mal seit so vielen Wochen wieder gute Laune gehabt hatte? Vielleicht war die Empfindung seiner Frau gar nicht so falsch. Vielleicht hatte er sich da wirklich in etwas hineingedacht, das seiner nicht würdig war.
    Er ließ die Hand sinken und sah zur Tür, die ins Wohnzimmer führte. Vermutlich war ihm auch der Alkohol gestern nicht besonders gut bekommen. Seit sie diese Wohnungsprobleme hatten, eigentlich seit dem Tag, an dem die

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