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Der amerikanische Investor (German Edition)

Der amerikanische Investor (German Edition)

Titel: Der amerikanische Investor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Peter Bremer
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Absenkung der Böden in Küche und Bad quasi amtlich durch den Statiker bestätigt worden war, vertrug er Alkohol ohnehin nur noch schlecht. Oder trank er seitdem zügelloser?
    Wieder fuhr er sich über die nasse Stirn. Das war doch gar nicht so viel, was er gestern getrunken hatte. Die fünf halben Bierchen und dann noch ein paar Schlückchen Wein. Vor ein paar Monaten hätte er seine Frau höflich in ihr Schlafzimmer geleitet und sich dann wohlig angeregt an seinen Schreibtisch gesetzt, um sich zumindest noch ein paar Notizen zu machen. Vor ein paar Monaten wäre es ihm nach den paar Bieren und den paar Schluck Wein niemals passiert, hinterher mit einem fehlgeleiteten und auch etwas abwegigen Gedanken wie halbtot in sein Bett zu sinken. Woran hatte er eigentlich vor ein paar Monaten gearbeitet? Das war jetzt ja wie eine andere Welt! Nur deshalb hatte er sich doch gestern zu Hause noch etwas von dem Wein eingeschenkt, damit er einschlafen konnte. Wenigstens nachts brauchte er doch ein paar Momente Ruhe vor dem Wohnungsproblem. Wenn er sich, ohne etwas zu trinken, hinlegte, eröffnete das Wohnungsproblem die ganze Nacht über eine regelrechte Jagd auf ihn. Darum war er auch schon seit mehreren Wochen nicht mehr, ohne einen Schluck getrunken zu haben, ins Bett gegangen. Das hieß aber leider trotzdem nicht, dass er jetzt gut schlief. Im Gegenteil, er riss die Augen jede Nacht schon nach kurzer Zeit wieder auf. Dann hatte er gerade seine Tochter aus dem Fenster stürzen sehen, oder er hatte, während er wie gelähmt vor dem Zahnpastasortiment stand, seine Frau im Drogeriemarkt gegenüber gerade dabei ertappt, wie sie sich in leidenschaftlicher Umarmung dem schnauzbärtigen Verkäufer hingab, oder er hörte die traurige Stimme seines Sohnes, der gerade mit Tränen in den Augen vor der Klasse verkündete, dass er sich auch einen Papa wünsche, der hin und wieder etwas Geld verdiene, oder er sah seinen Vater, der gerade mit grimmiger Miene die Axt aus dem Schädel seiner Mutter zog. Meist aber riss er die Augen wieder auf, weil ihm plötzlich war, als seien alle Wände um ihn herum abgetragen worden, und während er sich noch, leise vor sich hin flüsternd, zu beruhigen suchte, war ihm schon längst, als würde er, an Händen und Füßen gefesselt, in einem Moor versenkt.
    Er sah wieder zu dem Hund hin. Von diesen vielen Albträumen hatte er seiner Frau bis jetzt noch gar nichts erzählt und auch nicht, dass er sich jedes Mal, wenn er nachts in rasender Angst die Augen aufriss, wünschte, sie würde neben ihm liegen. Warum nur hatten sie sich damals, mit der Geburt des zweiten Kindes, dafür entschieden, von nun an in getrennten Zimmern zu schlafen? Die ersten Jahre hatte das ja sogar einen Sinn gehabt. Seine Frau hatte es nämlich nicht ertragen, dass er nachts immer wieder das Licht anknipste, um sich ein Buch zu nehmen, in dem er dann doch nur in den seltensten Fällen ein paar Zeilen las, und ihn wiederum hatte das Schmatzen des Säuglings an der Brust seiner Frau so nervös gemacht, dass er immer wieder das Licht anknipste. Doch warum sollten sie jetzt nicht wieder in einem Zimmer schlafen und was war an diesem Gedanken eigentlich so befremdlich, dass es ihm geradezu schien, dieser Gedanke komme einer kleinen Revolution gleich?
    Er trat einen Schritt auf seinen Schreibtisch zu. Aus der bisherigen Erfahrung der Ehe war doch nur der Schluss zu ziehen, dass Gepflogenheiten der Nähe, waren sie einmal verschüttet, sich, wie für ewig vergessen, niemals wiederbelebten. So hatten sie sich die ersten Jahre auf der Straße immer an der Hand gehalten, später hatten sie sich noch hin und wieder untergehakt, aber jetzt berührten sie sich auf der Straße schon lange nicht mehr. Ähnlich verhielt es sich mit dem Gutenachtkuss, den sie sich immer gegeben hatten, bevor jeder die Tür seines Zimmers hinter sich schloss. Auch der war gänzlich verschwunden. Wohin aber sollte das alles führen? Zwei erschöpfte Menschen, die einander in ihrer großen Wohnung in Vergessenheit geraten waren. Anstatt immer nur missmutig über sich absenkende Böden oder mögliche Abfindungssummen zu sprechen, wäre es doch viel interessanter und wichtiger, sich diesem Thema zu widmen. Sie müssten sowieso wieder offener miteinander reden. Zuerst aber würde er seiner Frau mitteilen, dass er beschlossen habe, von heute ab für einige Zeit keinen Alkohol mehr zu trinken.
    Mit der Hand fuhr er sich über die Bartstoppeln. Das war eine gute Idee! Ganz

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