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Der Amokläufer

Der Amokläufer

Titel: Der Amokläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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zu dem Begleiter hin irgendwie ironisch oder maliziös zu werden. Offenbar spielte sie mit mir ebenso anteillos wie ich mit ihr, und ich mußte die raffinierte Technik ihrer Verwegenheit haßvoll bewundern; denn während sie mir mit falscherHeimlichkeit das Sinnliche ihres Körpers darbot, drückte sie sich gleichzeitig in das Flüstern ihres Begleiters geschmeichelt hinein, gab und nahm in einem und beides nur im Spiel. Eigentlich war ich erbittert, denn ich haßte gerade an anderen diese Art kalter und boshaft berechnender Sinnlichkeit, weil ich sie meiner eigenen wissenden Fühllosigkeit so blutschänderisch nahe verschwistert fühlte. Aber doch, ich war erregt, vielleicht mehr im Haß wie in Begehrlichkeit. Frech trat ich näher und griff sie brutal an mit den Blicken. »Ich will dich, du schönes Tier«, sagte ihr meine unverhohlene Geste, und unwillkürlich mußten meine Lippen sich bewegt haben, denn sie lächelte mit leiser Verächtlichkeit, den Kopf von mir wegwendend, und schlug die Robe über den entblößten Fuß. Aber im nächsten Augenblick wanderte die schwarze Pupille wieder funkelnd her und wieder hinüber. Es war ganz deutlich, daß sie ebenso kalt wie ich selbst und mir gewachsen war, daß wir beide kühl mit einer fremden Hitze spielten, die selber wieder nur gemaltes Feuer war, aber doch schön anzusehen und heiter zu spielen inmitten eines dumpfen Tags.
    Plötzlich erlosch die Gespanntheit in ihrem Gesicht, der funkelnde Glanz glomm aus, eine kleine ärgerliche Falte krümmte sich um den eben noch lächelnden Mund. Ich folgte der Richtung ihres Blicks: ein kleiner, dicker Herr, den die Kleider faltig umplusterten, steuerte eilig auf sie zu, das Gesicht und die Stirn, die er nervös mit dem Taschentuch abtrocknete, von Erregung feucht. Der Hut, in der Eile schief auf den Kopf gedrückt, ließ seitlich eine tief heruntergezogene Glatze sehen (unwillkürlich empfandich, es müßten, wenn er den Hut abnehme, dicke Schweißperlen auf ihr brüten, und der Mensch war mir widerlich). In der beringten Hand hielt er ein ganzes Bündel Ticketts. Er prustete förmlich vor Aufregung und sprach gleich, ohne seine Frau zu beachten, in lautem Ungarisch auf den Offizier ein. Ich erkannte sofort einen Fanatiker des Rennsportes, irgendeinen Pferdehändler besserer Kategorie, für den das Spiel die einzige Ekstase war, das erlauchte Surrogat des Sublimen. Seine Frau mußte ihm offenbar jetzt etwas Ermahnendes gesagt haben (sie war sichtlich geniert von seiner Gegenwart und gestört in ihrer elementaren Sicherheit), denn er richtete sich, anscheinend auf ihr Geheiß, den Hut zurecht, lachte sie dann jovial an und klopfte ihr mit gutmütiger Zärtlichkeit auf die Schulter. Wütend zog sie die Brauen hoch, abgestoßen von der ehelichen Vertraulichkeit, die ihr in Gegenwart des Offiziers und vielleicht mehr noch der meinen peinlich wurde. Er schien sich zu entschuldigen, sagte auf ungarisch wieder ein paar Worte zu dem Offizier, die jener mit einem gefälligen Lächeln erwiderte, nahm aber dann zärtlich und ein wenig unterwürfig ihren Arm. Ich spürte, daß sie sich seiner Intimität vor uns schämte und genoß ihre Erniedrigung mit einem gemischten Gefühl von Spott und Ekel. Aber schon hatte sie sich wieder gefaßt, und während sie sich weich an seinen Arm drückte, glitt ein Blick ironisch zu mir hinüber, als sagte er: »Siehst du, der hat mich, und nicht du.« Ich war wütend und degoutiert zugleich. Eigentlich wollte ich ihr den Rücken kehren und weitergehen, um ihr zu zeigen, daß die Gattin eines solchenordinären Dicklings mich nicht mehr interessiere. Aber der Reiz war doch zu stark. Ich blieb.
    Schrill gellte in dieser Sekunde das Signal des Starts, und mit einemmal war die ganze plaudernde, trübe, stockende Masse wie umgeschüttelt, floß wieder von allen Seiten in jähem Durcheinander nach vorn zur Barriere. Ich hatte eine gewisse Gewaltsamkeit nötig, nicht mitgerissen zu werden, denn ich wollte gerade im Tumult in ihrer Nähe bleiben, vielleicht bot sich da Gelegenheit zu einem entscheidenden Blick, einem Griff, irgendeiner spontanen Frechheit, die ich jetzt noch nicht wußte, und so stieß ich mich zwischen den eilenden Leuten beharrlich zu ihr vor. In diesem Augenblick drängte der dicke Gatte gerade herüber, offenbar um einen guten Platz an der Tribüne zu ergattern, und so stießen wir beide, jeder von einem andern Ungestüm geschleudert, mit so viel Heftigkeit gegeneinander, daß sein lockerer

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