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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Jonuleit
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Rückkehr für mein Leben verdrängte ich völlig.
    Nun hätte sich eigentlich das Blatt zum Guten wenden können. Es sollte anders kommen.
     
    In jenem Sommer nach unserer Rückkehr war das Thema, das die Gemüter beschäftigte, die nimmer enden wollende Hitze. Seit Wochen hatte es kaum geregnet. Die Flüsse waren im Begriff auszutrocknen, der Bodensee wurde von einer immer breiter werdenden Uferborte gesäumt. In den Zeitungen häuften sich Meldungen über Landwirte, deren Existenz auf dem Spiel stand, wenn nicht bald Regen fiele. Kraftwerksbetreiber äußerten ihre Besorgnis, den Strombedarf bald nicht mehr decken zu können, da die Flüsse, deren Wasser zur Kühlung benutzt wurde, nicht kühl genug waren und das in die Flüsse zurückgeleitete Kühlwasser zu warm war. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, Wasser und Energie zu sparen, Trockner und Klimaanlagen ausgeschaltet zu lassen, die Gärten nicht mehr zu wässern und auch sonst äußerst sparsam mit den Ressourcen umzugehen.
    Während ich an jenem Abend so vor mich hin fuhr, voller Hoffnung, Vergangenheit und Zukunft wieder zusammenstricken zu können, hatte das Schicksal bereits einen anderen Weg für mich gebahnt.
    Der Golf der Meerbäumin stand nicht mehr in der Einfahrt, aber ich hatte ohnehin nicht den rechten Überblick über ihre Arbeitszeiten bei uns. Die meisten Tage war sie jedenfalls präsent. Ich stellte mein Auto in die Garage, neben den Porsche, und so wusste ich auch, dass Anouk zu Hause sein musste.
    Weil ich vermutete, dass sie wieder im Garten arbeitete, lief ich zuerst dorthin. Auf unserem Grundstück sprudelte ein Bächlein, das in diesen Tagen zwar einiges von seiner Munterkeit eingebüßt hatte, doch für Anouks Zweckereichte es noch immer aus. Bestimmt wäre sie gerade beim Gießen.
    Ich ging vorüber an duftenden Ranken, unzähligen Rosen und Stauden. Anouk war nirgends zu sehen. Am Haus waren alle Fenster geschlossen, der Zugang zum Garten verriegelt. Ein ungewohnter und fremder Anblick, wenn Anouk zu Hause war, da sie nichts mehr hasste, als von ihrem geliebten Garten abgeschottet zu sein. Hatte ich mich also getäuscht und sie war doch nicht hier? Vielleicht war sie spazieren gegangen? Oder mit der Meerbäumin in deren Wagen weggefahren? Ich wusste, dass die beiden hin und wieder zusammen einkauften.
    Ich schloss die Eingangstür auf. Noch ehe ich das Haus betrat, spürte ich, dass etwas nicht in Ordnung war. Da war diese Stille, die dick und bedrohlich schien, aber auch noch etwas anderes.
    Erst, als ich die Diele durchquert hatte, wusste ich, was es war: der Geruch. Er war streng und seltsam. Ich assoziierte ihn mit einem anderen Ort, mit altem Werkzeug und Schrott. Ja, es roch nach Rost.
    Das Wohnzimmer lag verlassen da, alle Kissen standen an ihrem Platz, der »Folterstuhl« wartete wie immer auf seinen Einsatz.
    Einer unsinnigen Eingebung folgend rief ich: »Anouk?«
    Keine Antwort.
    So machte ich kehrt und wollte gerade den Fuß auf die unterste Treppenstufe setzen, als ich die unzähligen roten Punkte bemerkte. Im ersten Moment verstand ich nicht. Ich bückte mich und da erkannte ich, dass es die Korallen von Anouks Armband waren. Sie lagen überall verstreut, wie winzige Blutspuren. Ich begann, sie einzusammeln.
    Sie führten mich langsam die Treppe hinauf. Bald hatte ich keine Geduld mehr. Ich richtete mich auf undstieg weiter nach oben, bemüht, nicht auf die Korallen zu treten.
    Erst oben sollte ich bemerken, dass der rostige Geruch stärker geworden war und sich eine andere süßliche Note dazugesellt hatte. In diesem Moment begriff ich.
    Ich riss die Schlafzimmertür auf und sah nur Rot. Rot, überall Rot, Tropfen, die den Boden bedeckten, Schlieren an den Wänden, am Spiegel. Eine Spur, eine entsetzliche Spur, die ins Bad führte. Atemlos rannte ich los, wäre auf dem klebrigen Blut fast ausgerutscht und riss die Tür zum Bad auf.
    Da lag sie, Anouk, meine Anouk, nackt in der Badewanne. Das Haar klebte an ihren Wangen wie Gras, das Wasser in der Wanne war hellrot, ihr rechter Arm baumelte schlaff über dem Badewannenrand. Wie zum Hohn trug sie auch jetzt die hauchdünne Kette an ihrem Hals, die ich ihr irgendwann einmal geschenkt haben musste. Damals, in der Rosenstein Clinic, hatte mich dieses Schmuckstück gewissermaßen am Leben gehalten.
    Der Tropfen aus rotem Stein glänzte auf Anouks bleichem Brustkorb wie ein seltsames Mal.
    Ich löste mich aus meiner Erstarrung, zog Anouk aus dem lauwarmen Wasser, trug sie

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