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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Jonuleit
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ins Schlafzimmer, eine weitere hellrote Spur hinter uns herziehend. Vorsichtig bettete ich sie auf die Matratze, holte Handtücher und trocknete sie in fieberhafter Eile ab. Dann wickelte ich sie in zwei Decken, rannte zum Telefon und wählte die Notrufnummer.
    Im gleichen Moment drang die grelle Sirene eines Krankenwagens an mein Ohr. Genauso jäh, wie der Laut gekommen war, verstummte er wieder. Kurz darauf wurde er durch ein wildes Klingeln der Türglocke ersetzt.
    Was dann geschah, war wie die Fortsetzung eines bösenTraums, den man weder versteht noch irgendwie zuordnen kann.
    Ich öffnete den Sanitätern die Tür, der Notarzt kam hinterher und ich führte sie zu Anouk, die weiß und still in ihre Decken gehüllt auf dem Bett lag. Als der Notarzt mich fragte, was geschehen sei, schüttelte ich nur stumm den Kopf.
    Jetzt ging alles ganz schnell. Sie untersuchten Anouk, schlossen sie an eine Infusion an, luden sie auf eine Trage und fuhren mit Blaulicht und Sirene davon.
    Ich fragte, wie es ihr gehe, ob sie überleben werde. Der Arzt, ein junger und übernächtigt aussehender Mann mit runder Brille, schaute mich mit mitleidigem Blick an und sagte offiziös: »Das können wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht sagen.«
    Als er von mir wissen wollte, womit Anouk sich die Verletzungen zugefügt habe, konnte ich ihm nicht antworten. Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht.
    Noch ehe ich mich auf die Suche nach einer Klinge oder einem Messer machen konnte, klingelte es erneut.
    Ich lief zur Tür. Ein vorzeitig gealterter Mann und eine jüngere Frau standen davor. Sie hielten mir ihre Dienstausweise unter die Nase und der Mann sagte: »Kriminal abteilung Bregenz. Brandner ist mein Name und das ist Frau Oberholzer. Dürfen wir hereinkommen?«
    Brandner, ein bleicher Endfünfziger mit dem Gesichtsausdruck eines traurigen Hundes, ging an mir vorbei ins Haus, gefolgt von der Frau, die Oberholzer hieß, blond war und auf beunruhigende Weise gesund aussah, jedoch höchstens zwanzig sein konnte.
    »Wir würden uns gern a bisserl umschau’n, reine Routine. Wenn Sie uns zunächst kurz schildern könnten, was geschehen ist?« Brandners jovialer Tonfall konnte über dieroutinierte Autorität, die hinter seinen Worten lag, nicht hinwegtäuschen.
    »Ich … verstehe nicht. Sie sind von der … Kriminalpolizei? Wer hat Sie denn gerufen?«
    »Wie gesagt. Reine Routine. Ungeklärte Umstände. Wir werden immer gerufen bei einem Todesfall – äh – Unfall, dessen Umstände nicht ganz geklärt sind.«
    Ich wusste weder, was ich sagen, noch, wie ich mich verhalten sollte.
    »Sie haben den Notarzt verständigt?«
    »Ich … äh … nein.«
    Fragende Blicke aus zwei Augenpaaren ließen mein Unwohlsein wachsen. Ich sagte: »Ich kam nach Hause, etwa vor einer Viertelstunde. Und da habe ich Anouk gefunden. In der Badewanne. Sie hatte sich … verletzt. Überall war Blut.«
    »Und Sie sind gerade von der Arbeit gekommen?«
    »Nein. Ich komme direkt aus St. Gallen. Ich hatte dort … geschäftlich zu tun.«
    Die beiden fixierten mich äußerst interessiert.
    »Sie sind also nach Hause gekommen und haben Ihre Frau
so
vorgefunden. Und da haben Sie nicht den Notarzt gerufen?«
    »Nein … Das heißt, gerade, als ich die Nummer wählen wollte, hörte ich das Martinshorn.«
    »Wer hat denn nun den Notarzt verständigt? War jemand bei Ihrer Frau, als Sie kamen?«
    »Nein, das ist ja das Merkwürdige. Niemand. Es war niemand hier. Die Haustür war zu. Anouk lag in der Wanne und überall war Blut.«
    Ich schlug die Hände vors Gesicht. Das Ganze war mir unbegreiflich. Was hatte sie getan?
    »Die Sanitäter haben uns unter anderem deshalb benachrichtigt,weil sie den Gegenstand, mit dem Ihre Frau sich die Verletzungen zugefügt hat, nicht finden konnten. Haben Sie den Gegenstand entfernt?«
    Jetzt war ich völlig perplex. Ich wunderte mich ja selbst darüber, wieso nirgends ein Messer oder sonst etwas, das in Frage gekommen wäre, herumlag.
    »Nein … nein. Ich habe nichts weggenommen.«
    »So wie’s aussieht, stand Ihre Frau unter Einfluss von Alkohol oder Medikamenten. Vielleicht hat sie auch beides gleichzeitig zu sich genommen.«
    »Hatten Sie Streit?« Das war die Blonde, die zum ersten Mal den Mund aufmachte. Ihre Stimme war überraschend dunkel, fast rau. Ich fühlte ihren durchdringenden Blick auf mir, so, als wüsste sie bereits alles, was sich je zwischen Anouk und mir ereignet hatte.
    »Nein. Wir hatten keinen

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