Der Andere
Junge holte ein Klemmbrett hervor und reichte es Claire. »Er hat Angst vor Wasser, aber das geht vorbei.«
»Wie klein er ist«, bemerkte Claire.
»Sie müssen ihn in der ersten Zeit viel herumlaufen lassen.«
»Ein kleines Stück Mitternacht.«
Der Junge deutete auf das Klemmbrett. »Unterschreiben Sie bitte hier.«
Er gab ihr erneut die Hand und reichte ihr die Leine, bevor er zurück an Bord ging. Claire übergab dem Mann von der Besatzung ihren Umschlag mit den Arbeitsunterlagen, damit er ihn auf dem Festland in einen Briefkasten werfen konnte, und schob ihm unter dem Umschlag einen Zwanzig-Dollar-Schein zu. Während seine Mutter die wöchentliche Lebensmittellieferung auf unseren Wagen lud, versuchte Luke, den Welpen zu schnappen, der ihm aber immer wieder entwischte. Claire zog das Tier näher zu sich heran und klemmte ihn unter den Arm. Mit der anderen Hand packte sie den Wagen und trat den Heimweg an.
»Ich will ihn halten«, bettelte Luke. »Er gehört mir, oder?«
»Du bekommst schon noch deine Chance, Liebling.« Der Hund wand sich unter Claires Griff. »Ich glaube, er ist noch ein wenig ängstlich. Es ist wohl besser, wenn ich ihn trage.«
»Aber …«
»Luke, jetzt sei bitte nicht so ungeduldig! Du wirst später noch Zeit genug haben, mit ihm zu spielen.«
»Was willst du überhaupt mit diesem Ding?«, wollte ich wissen. »Er ist doch nur ein sabberndes Fellbündel.«
Vor uns auf dem Plankenweg sprach Bellwether vor dem Feuerwehrhaus mit zwei Polizisten, die um einen ihrer roten Geländewagen herumstanden. Der Installateur zeigte auf den Motor und stellte Spekulationen über die Ursache des Problems an. Als wir uns näherten, sah Bellwether auf. Tage konnten vergehen, ohne dass wir auf der Insel einem Menschen begegneten, aber als wir am Feuerwehrhaus vorbeigingen, senkte Claire den Kopf und beschleunigte ihren Schritt. Als wir auf gleicher Höhe waren, riss sich der Welpe von ihr los und stürmte auf die drei Männer zu. Bellwether tauchte unter der Motorhaube hervor und hob den Hund hoch. »Da hab ich dich.« Er hielt das Tier vor sein Gesicht und schüttelte es. »Willst du Miss Nightingale jetzt schon weglaufen?« Claire ließ den Handgriff der Deichsel fallen und ging zu den Männern, aber Luke war zuerst da.
»Gib ihn mir!«, bettelte er. »Er gehört mir.«
Die drei Männer sahen auf das Kind hinunter. Bellwether sagte: »Niemand will dir etwas wegnehmen.«
Luke streckte die Hände aus. »Gib her, ich will ihn jetzt haben.«
»Luke!« Claire hatte ihn eingeholt. »Hast du vollkommen vergessen, wie man mit Leuten spricht?«
Luke starrte Bellwether an. »Ich trau ihm auch nicht«, verkündete er. »Und der Hund gehört mir.«
Einen Augenblick lang rührte sich niemand, dann händigte Bellwether Luke den Hund aus. Das Ding ruderte wild in der Luft, trommelte gegen Lukes Brust und tat alles, um wieder loszukommen. Luke schwankte unter dem Gewicht, hielt sein Geschenk aber verbissen fest.
»Tut mir leid, John. Er hat es nicht so gemeint. Ich …«
Bellwether wischte Claires Worte mit einer Handbewegung weg: »Ist schon in Ordnung. Er ist ja noch ein Kind.« Die Sprechfunkgeräte quakten in den Koppeln der Polizisten, die sofort an den Tasten herumfingerten. Ich bemerkte als Einziger das höhnische Grinsen in Bellwethers Gesicht. »Also, es tut mir jedenfalls leid«, entgegnete Claire. Sie nahm Luke am Arm und führte ihn zurück zum Wagen. Der Hund trat gegen Lukes Bauch, ein hysterischer Haufen schwarzen Fells. Er hatte etwas Künstliches, wie eines dieser Aufziehspielzeuge, die massenweise in der Fabrik zusammengeschustert werden. Unter dem Fell stellte ich mir Flicken von etwas Glänzendem, Synthetischem vor. Ich legte meinen Kopf an seine Brust, um das Sirren der Maschinen zu hören. Claire nahm den Wagen wieder in die Hand, und Luke und ich trotteten hinter ihr her. »Darf ich ihn mal anfassen?«, bat ich und streckte meine Hand nach ihm aus.
Luke drehte sich von mir weg. »Lass ihn, er gehört mir.«
Claire sagte: »Wir müssen wohl das Teilen lernen.«
Noch ein paar solcher Tage, und ich würde sterben, das war mir klar. Luke nahm mich kaum noch zur Kenntnis. Wenn er nicht mit Claire spielte, tollte er mit dem Hund herum, dieser billige Ersatz für – wen eigentlich? James? Mich? Jeden Morgen warf er einen Tennisball hinaus in die Dünen und sah zu, wie Midnight durch das Gras krabbelte, um ihn zurückzuholen. Er nahm das Ding nachts mit in unser Zimmer, und es
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