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Der Andere

Der Andere

Titel: Der Andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian DeLeeuw
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Sie war immer noch auf der unteren Terrasse. Ich sah, wie sie eine Rolle in den Farbkanister tauchte. Ich drehte mich zu Luke um: »Du hast doch keine Angst, oder?« Während des ganzen letzten Winters hatte er mir diese Frage gestellt, bevor er in den freien Raum unter dem Haus gekrochen war oder vom Rettungsstand auf den darunterliegenden Sandhügel sprang. Jetzt gab er die Antwort, die ich ihm immer gegeben hatte. »Nein«, meinte er und schüttelte den Kopf, »habe ich nicht.«
    »Na schön.« Ich betrat das Bad und bat Luke, den Medizinschrank zu öffnen. Das untere Regal stand gerammelt voll mit orangefarbenen Pillenfläschchen aus Plastik. Ich konnte nur ein paar Zeilen des Textes auf den Etiketten lesen. »Dreimal täglich«, stand auf einem. »Zu den Mahlzeiten einnehmen«, auf einem anderen. Der übrige Text war mir zu hoch, und auch die Namen der Präparate selbst konnte ich nicht lesen.
    Ich versuchte, die Flasche zu finden, zu der Claire in den ersten beiden Monaten immer gegriffen hatte, nachdem wir in dieses Haus gezogen waren. Ich war mir nicht sicher, also grenzte ich die Möglichkeiten auf zwei Flaschen gleicher Größe und gleicher Form ein und überließ die Entscheidung, welche davon die richtige war, dem Zufall.
    Luke nahm die Flasche, und wir schafften unsere Beute in die Küche. Er konnte sie nicht öffnen, also erklärte ich ihm, wie man den Deckel zunächst herunterdrückt und dann dreht. Schließlich bekam er sie auf und kippte eine Handvoll gelber Tabletten auf den Tisch. Verdutzt sah er sie an. »Wofür sind die?«
    »Das«, erklärte ich ihm, »das sind magische Pillen aus pulverisiertem Gold und getrockneten Sonnenblumen. Das ist eine Medizin, die jede Krankheit heilt.« Ich sah ihn nachdenklich an. »Ist dir nicht aufgefallen, dass der Hund in den letzten Tagen schlecht aussah?«
    »Warum bekommt er sie dann nicht von meiner Mutter?«
    Ich zuckte die Schultern. »Vielleicht, weil sie den Hund nicht so gut versteht wie du. Oder vielleicht will sie die Tabletten auch ganz einfach nur für sich behalten. Ihr geht es auch manchmal schlecht.«
    »Ja, ich weiß.« Er sah mich an, dann wieder hinunter auf die Tabletten. »Ich weiß nicht so recht. Heute Morgen schien es Midnight gutzugehen.«
    »Ja«, sagte ich, »aber sieh ihn dir jetzt an.«
    Wir sahen zu dem Ding hinüber, das unter dem Küchentisch döste. Ich sagte: »So sieht ein kranker Hund aus.«
    »Diese Pillen werden ihm guttun?«
    »Sie helfen bei allem.«
    »Wird meine Mutter nicht ausrasten?«
    »Claire wird nicht ausrasten, weil Claire nichts davon erfahren wird. Wir werden die Flasche wieder zurückstellen und ihr nichts davon sagen. Nur der Hund wird wissen, dass du es warst.«
    Lukes Blicke wanderten zwischen dem Hund, den Tabletten und mir hin und her – was mochte er sehen, wenn er dort hinsah? Schließlich nickte er.
    Er strich die Tabletten vom Tisch in seine freie Hand. »Wir müssen sie ihm ins Futter mischen«, schlug ich vor. Wir zogen den Futtersack heraus und füllten den Fressnapf in der Küchenecke. Luke warf mir einen Blick zu, bevor er den Inhalt seiner Hand in das Gefäß entleerte und die Pillen unter das Futter mischte. Er klatschte in die Hände und rief den Hund zu sich.
    Das Ding stürzte sich auf den Napf und fraß, ohne aufzublicken, bis die Schüssel leer war. Was für eine kriecherische, einfältige Kreatur. Jetzt musste man nur noch warten. Aber ich spürte keine Befriedigung, kein Gefühl, etwas vollbracht zu haben, nur Übelkeit und dumpfe Angst. Luke hingegen konnte seine Aufregung kaum unter Kontrolle halten. Auf Socken rutschte er über den Fliesenboden und rammte den Kühlschrank am anderen Ende der Küche.
    Ich hatte keine Ahnung, wie lange die Wirkung der Pillen auf sich warten lassen würde. Viele Abende hatte ich Claire beobachtet, wie sie eine nahm und eine halbe Stunde später zu Bett ging. Wir hatten dem Hund aber mindestens fünfzig davon gegeben, so dass ich davon ausging, dass der Kreatur viel weniger Zeit blieb. Mein Blick folgte dem Tier auf seinem Weg durch das Wohnzimmer zu den Terrassentüren. Ich sah, wie er kurz mit seinen Pfoten am Glas kratzte, um dann unschlüssig wieder zurück in die Küche zu tapsen. Luke wollte wissen, woran wir erkennen würden, dass die Medizin wirkt. Ich versprach ihm, dass es nicht zu übersehen sei, wenn es so weit wäre.
    Claire hatte einen Ghettoblaster draußen auf der unteren Terrasse aufgestellt, die Klänge der Konzertgitarre drangen hoch in

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