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Der Andere

Der Andere

Titel: Der Andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian DeLeeuw
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leeren Himmel.

4 . Kapitel
    N achdem Luke zugegeben hatte, dass er für den Verlust des Buches verantwortlich war, zog sich Claire für den Rest des Abends still zurück. Ihre Wut verrauchte. Sie schrie nicht, warf auch nicht mit Gegenständen. Stattdessen ordnete sie die Bücher neu in die Regale ein, glättete umgeknickte Seiten und Schutzumschläge. Nervös beobachtete Luke das Geschehen von der Tür aus. Ein paar Mal schien es, als wollte er etwas sagen. Aber er schüttelte nur den Kopf und schwieg. Später, als Claire Gemüse für einen Salat klein schnitt, wobei das Messer auf das Schneidbrett knallte wie ein Metronom am anderen Ende des Flurs, machte Luke mich für die Beseitigung des Buches verantwortlich, als wäre es meine Schuld.
    »Nimm sie doch nicht immer in Schutz!«, protestierte ich. »Das ist nicht mehr deine Aufgabe.«
    Als wir zum Essen Platz nahmen, entschuldigte sich Claire bei ihrem Sohn. »Ich war ungerecht«, begann sie. »Du konntest nicht wissen, wie wichtig es war.« Dabei bemerkte ich, dass sie immer noch das Kleid und die Kette ihrer Mutter trug.
    Möglicherweise hätte Luke Claire zwei Tage später nicht allein lassen dürfen. Aber er tat es. Es war mein Vorschlag, unseren Wochenendtrip nach Rhode Island als unerlässlich für die College-Suche zu verkaufen. Claire sah die Notwendigkeit ein, und Cassie war glücklich, Gastgeberin spielen zu dürfen. Am Samstagmorgen holte sie uns am Bahnhof in Providence ab. Es regnete, als wir ankamen. Sie trug eine gelbe Regenjacke ohne Kapuze, so dass ihr Haar klatschnass und strähnig am Kopf klebte. Sie hatte es wachsen lassen, seit wir sie im August das letzte Mal in einem Café auf der Madison Avenue gesehen hatten. Es fiel bis auf den Rücken hinab, kringelte und verschlang sich ineinander. Die braune Cordhose lag an den Hüften eng an, die Beine aber waren wie bei Schlaghosen weit ausgestellt, hingen in den Pfützen und sammelten den Dreck auf. Ihr Gesicht jedoch war frisch, klar und rosig. Ein wonniges New-England-Gesicht.
    Sie umarmte Luke. »Mein Fast-Bruder«, empfing sie ihn. »Willkommen in Providence.«
    Ihr Kombi sah von außen aus wie geleckt, innen jedoch war der Boden unter all den Getränkedosen, Zeitschriften und Klamotten, alles billige, altmodische Secondhand-Fummel, nicht mehr zu erkennen. Auf der Rückbank stapelten sich zusammengebundene Zeitungsbündel. »Unser alternatives Wochenblatt. Dummerweise ist das Austragen von Zeitungen der schnellste Weg, um einen Fuß in die Tür zu bekommen.« Sie fegte Zeichenblöcke vom Beifahrersitz. Der Wagen lief im Leerlauf, und sie drehte sich eine Zigarette. »Ja, ich rauche immer noch. Aber seit ich hier bin, bin ich zumindest sehr sparsam, was der Geschäftsmann in James sehr schätzen dürfte.« Wie ein Hund streckte ich mich über den Zeitungen aus. Ihren Hinterkopf betrachtend, fragte ich mich, ob es sie wirklich interessierte, was James von ihr hielt. Ich bezweifelte es. Mein Eindruck war, dass er auch seine Stieftochter aufgegeben hatte, weil seine Bemühungen ausschließlich auf die Formung von James junior gerichtet waren. Cassie zündete die Zigarette an und drehte den Kopf zu Luke herum, ihr Profil von graublauem Dunst umhüllt. »Du siehst gut aus«, bemerkte sie. »Gesund.« Luke sah aus dem Fenster und lächelte. »Warum auch nicht?«, fügte sie rasch hinzu. Sie legte den Gang ein, und wir fuhren los.
    »Keine Sorge.« Luke tätschelte ihr Knie. »Für Komplimente bin ich immer zu haben.« In Cassies Gegenwart schien er sich wohlzufühlen, ganz anders als mit Sarah oder gar mit Claire. Das mochte daran liegen, dass weder Luke noch Cassie große Erwartungen hatten, was ihre Beziehung zueinander betraf. Während ihrer gelegentlichen Zusammentreffen konnte sich Luke als geistreicher, selbstbewusster und souveräner Teenager neu erfinden. Aber sein Auftreten war ein Fehler. Cassie war mir zu wichtig, als dass man sie so unaufrichtig behandeln durfte.
    Die sterile Innenstadtkulisse wich alten, geschwungenen Straßen mit backsteinroten Patrizierhäusern. Wir fuhren einen aberwitzig steilen Hügel hinauf und waren da, parkten vor einem Haus mit freundlicher, blassblau gestrichener Fassade. Keine Sekunde lang hatte Cassie einen Gedanken daran verschwendet, in ein Studentenwohnheim zu ziehen. Cassie hatte acht Mitbewohner, deren Namen Luke sich gar nicht erst merkte, da er wusste, dass ich ihm das abnehmen würde. »Kompositorische« Gründe hatten sie veranlasst, ihre Matratze

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