Der Anfang aller Dinge: Roman (German Edition)
du oder ich ihm heute Abend Honig um den Bart schmieren, er wird mich nicht unterstützen, wenn ich am Montag meinen Vorschlag vorbringe.«
»Abwarten«, meinte Myra gelassen und zog sich die Lippen nach.
Rod, kombinierte Liv, während sie eine schmale Bürste zur Hand nahm, war Roderick Matte, einer der einflussreicheren Kongressmitglieder. Wenn eine Wahl anstand, so war er derjenige, der die Fäden zog.
Ein aufgeblasener Wichtigtuer, dachte Liv, ein Grinsen unterdrückend. Ja, das war er, aber auch die größte Hoffnung seiner Partei für einen Sitz im Weißen Haus bei den nächsten Präsidentschaftswahlen. Sofern man den Gerüchten glauben mochte.
Die Kongressabgeordnete brummte etwas und steckte den Kamm wieder ein. »Er ist ein bigotter, engstirniger …«
»Meine Liebe«, zwitscherte Myra und unterbrach die leidenschaftslose Tirade ihrer Freundin, indem sie Liv anlächelte, »dieses Kleid ist hinreißend.«
»Vielen Dank.«
»Habe ich Sie nicht eben mit T.C. gesehen?«, erkundigte sie sich beiläufig, indem sie einen teuren Parfumflakon aus ihrer Tasche holte und sich großzügig damit besprühte.
»Ja, wir sind gemeinsam gekommen«, erwiderte Liv, schwankend, ob sie sich vorstellen oder die Klappe halten sollte. Doch dann entschied sie, dass es klüger und auch nur fair wäre, sich zu erkennen zu geben. »Ich bin Olivia Carmichael vom WWBW.«
Amelia stieß einen leisen, undefinierbaren Laut aus, wohingegen Myra unverdrossen weiterplapperte. »Ach, wie interessant. Ich sehe mir die Lokalnachrichten nicht an, muss ich gestehen, und auch die anderen nur sehr selten, außer T.C.s Reportagen natürlich. Herbert sagt, die Nachrichten seien seiner Verdauung nicht zuträglich.«
Richter Justice Ditmyer. Jetzt konnte Liv dieses Gesicht einordnen.
Justice Ditmyers Gattin Myra, die selbst genügend Macht und Einfluss besaß, dass sie den Abgeordneten Matte als aufgeblasenen Wichtigtuer bezeichnen konnte, ohne ein Nachspiel fürchten zu müssen.
»Wir gehen um halb sechs auf Sendung, Mrs. Ditmyer«, erklärte Liv. »Um diese Uhrzeit sollte Ihr Gemahl unsere Nachrichten noch leicht verdauen können.«
Myra lachte, musterte Liv jetzt jedoch genauer. »Ich kenne einige Carmichaels. Connecticut. Sie sind nicht zufällig Tylers jüngere Tochter, oder?«
Liv war an diese namenlose Bezeichnung gewöhnt. »Doch, das bin ich.«
Myras Gesicht erstrahlte in einem Lächeln. »Ach, wie klein doch die Welt ist. Das letzte Mal, als ich Sie sah, waren Sie sieben oder acht Jahre alt. Ihre Mutter gab eine elegante Teegesellschaft, und Sie kamen in den Salon gehüpft, als hätten Sie gerade auf dem Schuttplatz gespielt – mit einem faustgroßen Loch im Kleid und einer abgerissenen Schnalle am Schuh. Ich schätze, Sie haben anschließend eine ordentliche Standpauke über sich ergehen lassen müssen.«
»Bestimmt«, erwiderte Liv, die sich an diese spezielle Gelegenheit nicht erinnerte, aber an viele ähnliche.
»Ich entsinne mich, dass ich mir damals dachte, dass Sie an diesem Nachmittag mit Sicherheit mehr Spaß gehabt haben als der Rest von uns.« Wieder schenkte sie ihr ein strahlendes Lächeln. »Diese Gesellschaft war wirklich sterbenslangweilig.«
»Myra, wirklich.« Amelia vergaß kurzzeitig ihren Gesetzentwurf und ließ ein missbilligendes Tz-Tz hören.
»Kein Problem, Frau Abgeordnete«, warf Liv beruhigend ein. »Ich fürchte, die Partys meiner Mutter sind immer noch genauso langweilig wie damals.«
»Ich muss sagen, ich hätte Sie nicht wieder erkannt.« Myra erhob sich und strich sich das Kleid glatt. »Aus Ihnen ist eine sehr elegante junge Dame geworden. Verheiratet?«
»Nein.«
»Sind Sie und T.C. …?« Sie ließ den Rest des Satzes viel sagend im Raum hängen.
»Nein«, antwortete Liv bestimmt.
»Spielen Sie Bridge?«
Liv zückte eine Braue. »Schlecht. Ich habe nie eine Vorliebe für dieses Spiel entwickelt.«
»Bridge, meine Liebe, ist ein abscheuliches Spiel, aber auch ein sehr nützliches.« Sie zupfte eine Visitenkarte aus ihrer Handtasche und reichte sie Liv. »Ich gebe nächste Woche einen Bridgeabend. Setzen Sie sich doch am Montag mit meiner Sekretärin in Verbindung; sie wird Ihnen eine Einladung schicken. Übrigens, ich habe einen Neffen, den ich sehr schätze.«
»Mrs. Ditmyer …«
»Er wird Sie nicht langweilen – jedenfalls nicht über Gebühr«, fuhr Myra lächelnd fort. »Und ich glaube, wir beide könnten uns gut verstehen. Mein Gemahl wird ebenfalls anwesend sein«, setzte
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