Der Anfang aller Dinge: Roman (German Edition)
plötzlich überfiel Liv ein jähes Verlangen, eine verheerende sexuelle Lust auf Thorpe. Ihr Verstand setzte aus.
Als sich die Aufzugtüren öffneten, schoben sich die Leute um sie herum nach draußen. Liv stand da wie angewurzelt, gefesselt nicht nur durch seinen Arm, der schwer auf ihrer Schulter lag, sondern in erster Linie von seinem geduldigen, ruhigen und wissenden Blick.
Thorpe lächelte Liv an und geleitete sie hinaus in den Flur. »Wir müssen uns das leider für später aufheben«, sagte er schließlich.
Liv, endlich aus ihrer Trance erwacht, schüttelte seinen Arm ab und brachte einen Meter Abstand zwischen Thorpe und sich.
»Es gibt kein später «, schnappte sie und verfluchte sich innerlich, als sie im Presseraum Platz nahm.
Thorpe brauchte weniger als eine halbe Stunde, um seine Kollegen zu briefen und sie ihrer Wege zu schicken, damit sie ihre jeweiligen Berichte vervollständigten. Als er schließlich in seinem Zimmer die Tür hinter sich zuzog, hatte er einen 24-Stunden-Tag hinter sich. Jetzt eine Dusche, war sein einziger Gedanke.
Liv betrat ihr Zimmer, gefolgt von einem Hotelpagen, der ihren Koffer trug. Sie wartete, während er nachsah, ob in dem Zimmer alles in Ordnung war, die Vorhänge aufzog und die Handtücher im Bad kontrollierte. Liv wollte nur noch eine Kanne Tee und dann ins Bett fallen.
Jetlag, dachte sie, als sie dem jungen Burschen eine Pfundnote in die Hand drückte. Wie kam es, dass ihre Schwester nie unter diesem Phänomen litt, ganz gleich, wie oft sie von einem Kontinent zum anderen jettete, von einer Party zur nächsten? Melinda hätte sich nicht wie sie nur nach einer Tasse Tee und Ruhe gesehnt. Sie hätte geduscht, sich umgezogen und gleich darauf ins Londoner Nachtleben gestürzt.
Aber du bist eben nicht Melinda, sagte sie sich und zog die Kostümjacke aus. Außerdem hatte sie gerade anderthalb Tage in vierundzwanzig Stunden gepackt. Und morgen, überlegte sie weiter und zog die Schuhe aus, würde sie keine ruhige Minute haben. Sie warf einen Blick in den Spiegel, bemerkte die dunklen Ringe unter ihren Augen. So wollte sie morgen nicht vor die Kamera treten. Eine Tasse Tee, noch einmal kurz ihre Notizen durchgehen, und dann ab ins Bett, beschloss sie. Sie war gerade auf dem Weg zum Telefon, um den Zimmerservice anzurufen, als es an der Verbindungstür klopfte.
Sie runzelte die Stirn und schnaubte genervt. Das war bestimmt einer der anderen Reporter, der sie zu einer Party einladen oder die Summerfield-Story durchhecheln wollte – aber ohne sie.
»Wer ist da?«
»Nur ein Kollege, Carmichael.«
»Thorpe!«, rief Liv empört aus. Ohne nachzudenken,
schob sie den Riegel zur Seite und riss die Tür auf. Er lehnte lässig im Türrahmen, grinsend, angetan mit einem abgetragenen Frotteebademantel. Sein Haar war noch feucht vom Duschen, und er roch nach Seife und Rasierwasser. »Was machst du hier?«, wollte sie wissen.
»Eine Reportage für die Nachrichten«, erwiderte er nüchtern. »Das ist mein Job.«
»Du weißt ganz genau, was ich meine«, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Wie kommst du in das Zimmer neben meinem?«
»Reiner Glücksfall«, meinte er lässig.
»Wie viel hast du der Rezeption bezahlt, dass sie das für dich arrangiert hat?«
Sein Grinsen wurde langsam unverschämt. »Eine Suggestivfrage muss man nicht beantworten, Liv. Formulier die Frage um und stell sie mir dann noch einmal«, gab er zurück und musterte ihre Beine. »Gehst du aus?«
»Nein, ich gehe nicht aus.« Liv verschränkte die Arme vor der Brust und bereitete in Gedanken eine hitzige Ansprache vor.
»Gut. Ich ziehe ebenfalls einen gemütlichen Abend zu Hause vor.« Er machte einen Schritt in ihr Zimmer. Liv drückte ihm die flache Hand an die Brust, um ihm Einhalt zu gebieten. »Hör zu, Thorpe.« Durch die ungestüme Bewegung waren die übergeschlagenen Vorderteile seines Bademantels etwas auseinander gerutscht, sodass nur noch ein dunkler Haarpelz seine Brust bis hinab zur Taille bedeckte. Thorpe lächelte sie unverfroren an, als sie blitzartig ihre Hand sinken ließ. »Du bist unausstehlich.«
»Ich tue mein Bestes«, meinte er gelassen und wickelte eine ihrer Haarsträhnen um seinen Finger. »Aber wenn du lieber ausgehen möchtest …«, begann er.
»Ich gehe nicht aus«, wiederholte sie wütend. »Und einen gemütlichen Abend wird es auch nicht geben. Ich möchte, dass du endlich begreifst …«
»Hast du noch nicht gehört, dass Kollegen fern der Heimat
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