Der Anfang aller Dinge: Roman (German Edition)
entschlossen auf die Tür zu. Doch kurz vor der Tür siegte die Neugier. Sie ging zurück und hob den Zettel auf.
Guten Morgen!
Mehr stand nicht darauf. Unwillkürlich musste Liv lachen. Er ist wirklich verrückt, stellte sie abermals fest. Total verrückt. Aus einer Laune heraus riss sie ein Blatt aus ihrem Notizblock und kritzelte ebenfalls einen Gruß darauf. Nachdem sie das Blatt gefaltet und unter die Tür geschoben hatte, verließ sie das Zimmer.
Wie verabredet fand sie die Crew in einer Ecke des Frühstückraums versammelt. »Morgen, Liv«, begrüßte sie Bob. »Willst du ein Frühstück?«
»Nein, nur Kaffee.« Sie nahm die Kanne, die auf dem Tisch stand, und schenkte sich eine Tasse ein. »Ich glaube, ich brauche einen ganzen Eimer Kaffee, um wach zu werden.«
»Ja, es wird ein langer Tag werden«, meinte Bob und beschäftigte sich wieder mit seinem Rührei.
»Und der fängt gleich an«, meinte sie und schüttelte abwesend
den Kopf, als der Ober kam, um ihre Bestellung aufzunehmen. »Ich möchte einen Stand-up vor der Westminster-Abbey, ehe es dort vor Menschen wimmelt, und einen vor der Downing-Street 10. Wenn wir Glück haben, erwischen wir Summerfields Witwe. Ich nehme an, dass sich die Schaulustigen gut eine Stunde vor Beginn des Trauerzugs einfinden werden.« Einer ihrer Kollegen bot ihr eine Scheibe Toast an, doch Liv lehnte lächelnd ab. »Ich brauche auch ein paar Schwenks von den Zuschauern; den Off-Kommentar spreche ich dann später.«
»Ich muss ein paar Mitbringsel für meine Frau und die Kinder einkaufen«, erklärte Bob und grinste Liv entschuldigend an. »Ich habe schon genug zu hören bekommen, weil ich ohne sie nach London geflogen bin; falls ich jetzt mit leeren Händen zurückkomme, muss ich bestimmt auf dem Sofa schlafen.«
»Zwischen den Set-ups findest du sicher ein paar Minuten Zeit für deine Einkäufe«, beruhigte sie ihn und ließ, während sie das sagte, den Blick über die Köpfe der Reporter hinweg durch den Frühstücksraum schweifen.
»Suchst du jemanden?«, fragte Bob und schnitt ein Würstchen in zwei Teile.
»Was?«, meinte sie abwesend und sah Bob an.
»Seit du dich hingesetzt hast, schaust du dich ständig um. Bist du mit jemandem verabredet?«
»Nein«, sagte sie, ärgerlich, dass sie unbewusst nach Thorpe Ausschau gehalten hatte. »Ihr beeilt euch besser mit eurem Frühstück«, warf sie in die Runde. »Unser Terminkalender ist ziemlich dicht.«
Während der nächsten zehn Minuten schaffte sie es, ihren Kaffee zu trinken, ohne sich noch einmal umzusehen.
Die schwache Morgensonne wärmte kaum, als Liv vor der Westminster Abbey stand. Während sie darauf wartete, dass ihre Crew die Kamera aufbaute, ging sie ein letztes Mal ihre Notizen für den Stand-up durch. Die Einstellung, schätzte sie, würde etwa 45 Sekunden dauern. Hinter ihr ragten die Türme der alten Kathedrale in einen düsteren Himmel. Graue
Wolken hingen über London, die Luft war schwer und roch nach Regen. Doch im Augenblick hatte Liv keine Augen für die Stadt um sie herum, sondern konzentrierte sich ganz allein auf die 45 Sekunden, die vor ihr lagen.
»Alles klar.« Bob wartete, bis sein Assistent den Belichtungsmesser noch einmal gecheckt hatte. »Okay?«
Liv nahm das Mikrofon, nickte und begann ihren Bericht. Unzufrieden startete sie einen zweiten Durchlauf. Eine schwache Brise zupfte an ihrem Haar, als sie über die bevorstehende Feierlichkeit sprach. Ohne Eile, als hätte sie diesen Bericht nicht auf die Sekunde genau ausgearbeitet, gab sie den Zuschauern einen kurzen Überblick über die Geschichte von Westminster Abbey. Als Bob wieder auf sie zurückschwenkte, blickte sie mit ernsthaften Augen direkt in die Kamera. »Das war Olivia Carmichael mit einem Bericht von der Westminster Abbey, London.«
»Okay?«, erkundigte sich Bob.
»Gestorben.« Sie warf einen Blick auf die Uhr. »So, und jetzt in die Downing Street. In zwei Stunden startet der Trauerzug. Wir sollten also genügend Zeit für ein paar kurze Stand-ups und Interviews mit dem Mann-auf-der-Straße haben. Anschließend werden wir uns noch einmal von Thorpe briefen lassen, ehe wir unser Material in die Zentrale schicken.«
Thorpe hatte Zeit für drei Tassen Kaffee, während er auf den Präsidenten wartete. Sein kurzes Gespräch mit Donaldson hatte nur enthüllt, dass der Präsident einen angenehmen Abend verbrachte hatte und früh aufgestanden war. Doch das stellte Thorpe nicht zufrieden.
Draußen wartete die
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