Der Anfang aller Dinge: Roman (German Edition)
wirklich etwas bedeutet, und ich war, was Sex anbelangte, nicht sonderlich erfahren.«
Thorpe musste an sich halten und die Worte hinunterschlucken, die ihm auf der Zunge brannten. Er wollte Liv nicht unterbrechen, nicht jetzt, wo sie gerade ganz offen von ihrer Vergangenheit erzählte, aber der Drang, den Mann in Grund und Boden zu fluchen, den sie geheiratet hatte, wurde beinahe übermächtig. Nur zu deutlich erinnerte er sich daran, wie sie nach ihrer ersten Liebesnacht behauptet hatte, nicht gut im Bett zu sein. Jetzt wusste er wenigstens, wie sie zu dieser Ansicht gekommen war. Er hielt den Mund und lauschte.
»Noch im gleichen Jahr wurde Joshua geboren – kaum zwölf Monate nach unserer ersten Begegnung. Meine Familie hielt uns für völlig verrückt, so schnell ein Kind in die Welt zu setzen, und das mit einem Einkommen, von dem ihrer Meinung nach kein Mensch existieren konnte. Aber wir wollten beide ein Baby. Wir wollten Josh. Für eine gewisse Zeit schien es, als könnte er unser Leben zentrieren. Josh war ein ganz besonderes Kind.« Ihr Blick fiel auf das Foto in ihrem Schoß. »Ich weiß, dass das alle Mütter von ihren Kindern behaupten, aber er war so schön, so freundlich, immer gut gelaunt. Er hat fast nie geweint.«
Sie sah eine Träne auf das Glas des Silberrahmens fallen und kniff die Augen zu. »Wir haben ihn angebetet. Wir konnten nicht anders. Fast ein Jahr lang waren wir glücklich. Richtig glücklich. Doug war ein guter Vater. Kein Job war ihm zu schwer oder unter seiner Würde, um Geld für uns zu verdienen. Ich erinnere mich, dass er mich einmal mitten in der Nacht aufgeweckt hat, ganz aus dem Häuschen vor Stolz, weil er gerade entdeckt hatte, dass bei Josh der erste Zahn am Durchbrechen war.«
Liv machte eine Pause, die gut eine Minute dauerte.
Thorpe wollte sie nicht drängen. Sie sollte in aller Ruhe selbst entscheiden, wann sie fortfahren wollte. Er hatte immer noch den Arm um sie gelegt und wartete.
»Nach meinem Examen zogen wir nach New Jersey. Doug bekam eine Anstellung in einer kleinen Anwaltskanzlei, und ich fing bei WTRL an. Zuerst in der Nachrichtenredaktion. Das war für uns beide nicht leicht. Wir hatten erst angefangen, an unserer Karriere zu basteln, arbeiteten zu den unmöglichsten Zeiten und zogen nebenbei ein Baby groß. Aber ich glaube nicht, dass Josh darunter gelitten hat. Nein, ganz bestimmt nicht; er war ein so zufriedener kleiner Kerl. Ich war tagsüber bei ihm; abends kam Doug und brachte ihn zu Bett. Dann passierte die Geschichte mit der Anwaltsgehilfin, auf die Doug ein Auge geworfen hatte. Ein kleiner Ausrutscher; der erste seit einem Jahr. Ich sah darüber hinweg.« Sie zuckte die Achseln. »Er hat sich ohnehin schrecklich geschämt. Wir gaben uns alle Mühe, wieder ins Reine zu kommen. Wir mussten an den Kleinen denken. Joshua war für uns beide das Wichtigste in der Welt.
Schließlich bekam ich die Gelegenheit, in die Tagesredaktion zu wechseln. Ich las den Wetterbericht und machte einige kleine Reportagen. Wir suchten lange, bis wir einen Babysitter fanden, der uns beiden sympathisch war, aber trotzdem konnten wir uns nicht einigen. Doug wollte, dass ich aufhöre zu arbeiten und zu Hause bei Josh bleibe. Aber dazu war ich nicht bereit.« Sie presste zwei Finger an die Stelle über ihrer Nasenwurzel und ließ dann die Hand wieder in den Schoß sinken. »Er war so ausgeglichen, so zufrieden. Ich liebte ihn mehr als alles andere auf der Welt, und trotzdem erschien es mir nicht notwendig und auch nicht klug, meinen Job und meine Karriere aufzugeben, um jede Minute mit ihm zu verbringen. Dagegen standen finanzielle Notwendigkeiten und meine eigenen Bedürfnisse. Und ich wollte ihn nicht mit meiner Liebe erdrücken.«
Ihre Stimme verlor wieder die Kraft und begann zu beben. »Ja, es war so verlockend, einfach den ganzen Tag mit ihm zusammen zu sein und ihn zu verwöhnen. Doug sagte immer, wenn es nach mir ginge, würde ich Josh immer als Baby
behandeln. Und ich war der Meinung, dass Doug versuchte, Josh zu schnell zu einem kernigen Burschen zu machen. Es war richtig niedlich, wie er ihm einen Football kaufte und ihm ganz ausführlich die Spielregeln erklärte. Damals war Josh gerade mal achtzehn Monate alt. Und dann kaufte er Josh zum zweiten Geburtstag dieses riesige Klettergerüst mit Schaukel und Rutsche. Für mich schien das viel zu gefährlich zu sein mit all den hohen Stangen. Wir stritten uns sogar ein wenig – nicht ernsthaft. Er lachte nur und
Weitere Kostenlose Bücher