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Der Angeklagte: Thriller (German Edition)

Der Angeklagte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Angeklagte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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kam jemand, der über Leichen ging.
    Und wenn er es sich erst einmal in dieser bizarren Jetzt-geb-ich-Gas-Stimmung bequem gemacht hatte, kristallisierten sich gleich auch einige sehr konkrete Fantasien heraus. Ro Curtlee umzubringen stand, kaum überraschend, an erster Stelle. Sich eine Knarre zu besorgen war das geringste Problem. Sie hatten zwar nie eine Pistole im Haus gehabt, aber das ließ sich schnell ändern. Ein Jagdgewehr hatte er ohnehin irgendwo in der Garage rumliegen. Mit seiner neu angeschafften Pistole oder dem Gewehr konnte er nach Einbruch der Dunkelheit zu den Curtlees fahren, auf Ro warten – und ihm bei der ersten Gelegenheit den Kopf wegblasen.
    Würde ihn jemand mit dem Mord in Verbindung bringen? Einen stinknormalen gutbürgerlichen weißen Geschäftsmann, der ein jungfräuliches Strafregister hatte? Er konnte es sich nicht vorstellen. Ja, er könnte das Ding wirklich durchziehen und seine Sorgen auf einen Schlag aus der Welt schaffen.
    Aber seine Gewaltfantasien hörten nicht bei Ro Curtlee auf. Kaum hatte er in seinem fiktiven Szenario Ro ins Jenseits befördert, machte seine Fantasie eine mysteriöse Volte und landete plötzlich bei Janice. Der Gedanke war hochgradig beunruhigend, weil er bei klarem Bewusstsein seine Frau doch liebte. Sie war in den Jahren nach Ros Prozess sein Fels in der Brandung gewesen, sie hatte die Familie zusammengehalten, hatte den Löwenanteil ihres Einkommens verdient und ihm beigestanden, als er den heiklen Übergang vom vielversprechenden Porträtmaler, der sich mit diversen Gele genheitsjobs über Wasser halten musste, bis hin zum erfolgreichen Kleinunternehmer vollzog. Im Grunde ge nommen war sie es auch, die ihn aus dem Sumpf des egomanischen und von Selbstzweifeln geprägten Daseins des unreifen Künstlers gezogen hatte, bis er Verantwortung übernommen und sich durch ehrliche Arbeit ein Fundament geschaffen hatte.
    Und doch: Ein Teil von ihm hasste sie plötzlich dafür.
    Er konnte nicht nachvollziehen, warum Ros Entlassung der Auslöser seiner Gefühle war, aber diesen Impuls hatte er erst seit jenem Tag verspürt. Michael hatte sich immer einzureden versucht – und durchaus erfolgreich –, dass sein Leidensweg damit begann, dass er als Geschworener Rückgrat bewies und die anderen Geschworenen davon überzeugte, diesen Abschaum namens Ro Curtlee aus der Gesellschaft zu entfernen. Inzwischen hatte er seine Zweifel. Rückblickend verstand er seinen beinharten Idealismus als hohle Pose, die unterm Strich keinerlei positive Veränderungen ausgelöst hatte.
    Warum hatte er überhaupt mit seiner Malerei aufgehört? Und wieso sollte Janices Einfluss daran schuld sein?
    Nun, es gab eine Erklärung.
    Selbst damals hätte Janice mit ihrer Praxis genug Geld verdienen können, um die Familie allein zu ernähren – wenn sie denn einen Ganztagsjob ins Auge gefasst hätte. Aber sie hatte beschlossen – man hatte gemeinsam beschlossen –, dass sie die Kinder nicht in einen Hort ge ben wollten; man wollte lieber beruflich kürzertreten, um sich gemeinsam um die Erziehung der Kinder zu kümmern.
    Das war der Grund, warum der Verlust seines Jobs – mit tatkräftiger Unterstützung der Curtlees – ihre finanziellen Probleme nur noch verschärft hatte. Aber die Tatsache blieb – und stand unausgesprochen immer zwischen ihnen –, dass sie es durchaus geschafft hätten. Michael hätte weiter malen können, hätte sich entwickeln und zwischendurch auch durchaus ein paar Auftragsarbeiten annehmen können, um dann mit einem substanziellen Œuvre den Sprung in die Galerien zu wagen. Er war sich sicher, so viel Talent zu besitzen, dass sich die Malerei inzwischen finanziell rechnen würde. Sie hätte ihn vielleicht nicht reich und berühmt gemacht, aber einen Namen, einen respektablen Ruf hätte er sich mit Sicherheit verdient. Und er würde heute das tun, was er liebte und was in seinen Augen immer die Bestimmung seines Lebens gewesen war.
    Aber Janice hatte – stets subtil, aber Subtilität war nun mal ihre Stärke – darauf gedrängt, dass er zumindest einen kleinen Teil des Einkommens beisteuern solle; allein schon, um ihm das Gefühl zu geben, der Ernährer und fürsorgliche Ehemann zu sein. Also hatte er rund sechs Jahre seines Lebens als Auslieferungsfahrer verbracht, als Möbelpacker, hatte Häuser bepinselt, hinterm Tresen gestanden und anderer Leute Gärten gepflegt. Die Kunst, seine Malerei, musste dabei so in den Hintergrund treten, dass sie irgendwann nicht

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