Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
einmal mehr ein Hobby war.
Und Janice war ihm bei dieser Transformation zur Hand gegangen, hatte ihn Schritt für Schritt von seiner Kunst entfremdet – bis er es für seine eigene Idee hielt, dass ihr Vater das nötige Kapital für die Gründung einer UPS -Niederlassung zur Verfügung stellen könnte. Und da Michael nun einmal intelligent, fleißig und gewissenhaft war, stand das Geschäft schnell auf soliden Füßen, florierte inzwischen sogar. Janice hatte ihn geliebt dafür, weil er nun endlich der Mann war, den sie immer in ihm gesehen hatte: pflichtbewusst, hart arbeitend, erwachsen.
Und vielleicht, dachte Michael, konnte er vom Schicksal auch nicht mehr verlangen. Vielleicht konnte er auch in Zukunft mit der Tatsache leben, dass dies nun mal der Deal war, dem er selbst zugestimmt hatte: die Frau, die er liebte, und die Familie, die sie wollte – im Tausch gegen seinen ursprünglichen Traum, ein Kreativer, ein Künstler und – in ihren Augen jedenfalls – ein Versager zu sein.
Er hielt es für möglich, glaubte sogar ehrlich daran, dass es sich letztendlich gelohnt hätte, seinen Traum, letztlich seine Identität zu opfern, um Janice glücklich zu machen. Genauso wie das Leid, das ihm die Curtlees zugefügt hatten, einen Sinn gehabt hätte, wenn Ro weiterhin hinter Gittern säße.
Es hätte sich gelohnt, wenn Janice ihm treu geblieben wäre.
Aber nun, da Janice – da war er sich sicher – eine Affäre mit einem ihrer Patienten hatte, dachte er anders darüber.
Der »Sopranos«-Song mit der Knarre hallte immer noch in seinem Kopf nach, als Michael Durbin auf den Parkplatz gegenüber dem Justizgebäude fuhr: »20 $ pro Tag, der Wagen kann in dieser Zeit nicht bewegt werden.« Das Gericht würde erst in gut einer Stunde tagen, aber trotzdem war der Parkplatz schon fast gefüllt. Auf der Bryant Street parkten Streifenwagen in Zweierreihen, dahinter eine ganze Karawane von lokalen und nationalen TV -Übertragungswagen.
Durbin stieg aus, bezahlte den Parkwächter und knöpf te, da es stark nieselte, seinen Mantel zu. Die graue Fassade des Justizgebäudes glänzte im Regen blau wie ein Bluterguss. Er blieb stehen, als er zu einer kleinen, noch friedvollen Gruppe von Demonstranten kam. Es waren vielleicht hundert Menschen, die sich auf der Treppe versammelt hatten, viele von ihnen mit Plakaten, die »Freiheit für Ro« oder »Stoppt die Polizeibrutalität« forderten. Ein Plakat fiel etwas drastischer aus: » SF Cops sind Arschkriecher.«
Meinungsfreiheit, dachte Durbin. Was für eine wunderbare Errungenschaft.
Ein Teil der Menge schien sich damit zufriedenzu- geben, draußen zu protestieren, während sich andere langsam zum Eingang bewegten. Reporter mit Mikros fielen über jeden her, der nicht fluchtartig das Weite suchte. Durbin traf es wie ein Schlag auf den Solarplexus, als er am Rande der Menge plötzlich die Frau sah, die er seit langer Zeit nur noch »Scheiß-Marrenas« nannte. Und es wurde ihm schlagartig klar, dass die meisten dieser »Demonstranten« vermutlich von den Curtlees engagiert und bezahlt worden waren. Wo immer er hinschaute, sah er Menschen mit der Morgenausgabe des »Courier«, auf dessen Titelseite es nur ein Thema gab: Ros Verhaftung und die Forderung nach Glitskys Entlassung.
Marrenas oder ihresgleichen wollte er nun weiß Gott nicht über den Weg laufen. Also mischte er sich unter die Leute, die sich langsam durch die Eingangsschleuse schlängelten. Fünf Minuten später, nach Passieren der Sicherheitskontrolle, hatte er es geschafft.
Er stand in der weitläufigen Eingangshalle, noch immer schockiert, aber auch erleichtert, dass er Marrenas entkommen war. Irgendwo fragte er sich noch immer, warum er eigentlich gekommen war und sich dieses Spektakel antat. Er drehte sich um und stellte plötzlich fest, dass er seinem Schwager ins Gesicht sah. Chuck Novio hatte gerade seinen Kopf gedreht und entdeckte ihn zur gleichen Zeit. Er hob die Hand zum Gruß.
Durbin ging zu ihm hinüber und sagte: »Okay, Chuckie, ich habe wenigstens eine Entschuldigung. Ich muss mein Gewissen beruhigen und sicherstellen, dass Ro wieder in den Bau wandert. Aber was zum Teufel treibt dich denn hierher?«
Novio lächelte entspannt. »Aber hallo! Amerikanische Geschichte – das ist nun mal mein Job. Und wenn dies nicht amerikanische Geschichte ist, dann weiß ich nicht, wo man ihr sonst begegnet. Meine Schüler können davon gar nicht genug kriegen. Gibt ihnen das Gefühl, dass Geschichte tagtäglich
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