Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
kontrollieren – und man konnte dabei mit Sicherheit effizienter vorgehen als Cliff und Theresa, die allein mit Zuckerbrot und Peitsche arbeiteten.
Der Trick, glaubte Eztli zu wissen, bestand darin, den Mann im Alltag zu beobachten, um so einen Eindruck zu gewinnen, wo und wann und wie man den Druck ausüben musste. Was Eztli Ro im Auto gesagt hatte, traf nach wie vor zu: Farrell war Ros bester Freund. Es konnte also nicht in ihrem Interesse sein, Farrell über die Klinge springen zu lassen. Nein, Farrell musste Teil der Konstellation bleiben, da nur dieses Gleichgewicht der Kräfte gewährleistete, dass Ro nicht wieder zurück ins Gefängnis musste.
Eztli musste Farrell lediglich den Ernst der Situation vor Augen führen. Bislang hatte Farrell letztlich nur vom Spielfeldrand aus zugesehen und den Einfluss der Curtlees nicht ernsthaft abgeblockt. Aber irgendwann würde der Punkt kommen, an dem er eine Entscheidung treffen musste: entweder Ro erneut anzuklagen – oder den Fall in der Versenkung verschwinden zu lassen. Eztli würde sicherstellen, dass er die richtige Wahl traf.
Also musste er ihn etwas besser kennenlernen. Und herausfinden, wo seine Schwachstellen waren.
Als sich Wes Farrell gegen 21.30 Uhr an diesem Montagabend nach Hause schleppte, konnte er sich nicht erinnern, jemals so erschöpft gewesen zu sein. Zu seiner Überraschung war das Haus völlig dunkel. Er konnte Sam wirklich keinen Vorwurf machen, wenn sie alleine oder mit Freunden zum Dinner gegangen war – in letzter Zeit hatte er als Lebenspartner keine gute Figur abgegeben.
Heute hatte er auch nicht angerufen, um seine Verspätung anzukündigen, hatte nicht mal an die Möglichkeit gedacht, weil sich die Nachricht von Matt Lewis’ Tod wie ein emotionales Gewitter in seinen Büros entladen und alles unter sich begraben hatte. Amanda Jenkins, zwischen Schmerz und Schuldgefühlen hin- und hergerissen, war zusammengebrochen. John Strout, Treya und Farrell kümmerten sich um sie, während Glitsky und Becker umgehend zum Tatort ausgerückt waren. Lapeer, die Polizeichefin, war höchstpersönlich zum Amtsgericht gegangen, um einen Richter aufzutreiben, der einen Durchsuchungsbefehl für die Curtlee-Villa ausstellen würde. Niemand hatte auch nur den geringsten Zweifel, wer für den Tod von Lewis verantwortlich war.
Farrell schaltete das Licht an der Haustür an und hörte Sekunden später das vertraute klick, klick, klick von Gerts Pfoten auf dem Holzfußboden. Sie hatte vermutlich in der Küche geschlafen und kam nun angelaufen, um ihn zu begrüßen. Er beugte sich herab und streichelte sie. »Wo ist denn deine Mutter?«, fragte er, stellte seine Aktentasche ab, schaltete das Licht in der Küche an und ging zum Kühlschrank.
Die Antwort kam in Gestalt eines Zettels, den Sam ihm auf die Küchenplatte gelegt hatte.
»Wes, tut mir leid, wenn es etwas überstürzt wirkt, aber du wusstest ja, dass ich seit Längerem mit dem Gedanken spiele, uns eine kleine Auszeit zu geben. Obwohl wir in jüngster Zeit so oft darüber gesprochen haben, wie wichtig die Kommunikation zwischen uns beiden ist, hast du es heute Abend ja wieder einmal nicht für nötig befunden, mich auch nur anzurufen …
Wie dem auch sei: Es war für mich der Weckruf, etwas zu unternehmen und nicht nur apathisch hier zu sitzen und Ressentiments in mich reinzufressen. Denn würde ich das weiterhin tun, wäre es nur meine eigene Schuld. Ich werde also zumindest die nächsten Tage in Mariannes Haus übernachten und würde dich bitten, mich dort in Ruhe darüber nachdenken zu lassen, wie es mit uns weitergehen soll. Wer weiß, vielleicht gewöhnst du dich ja so schnell ans Junggesellenleben, dass du mich gar nicht mehr zurückhaben willst. In jedem Fall wirst du einräumen müssen, dass wir in letzter Zeit wenig Spaß zusammen hatten. Ich fürchte, ich bin nicht dazu geboren, die Frau oder Freundin eines Politikers zu sein. Die ganzen Kompromisse, das Geschachere, Ro Curtlee – ich komme damit einfach nicht klar.
Ich liebe dich noch immer – wirklich! – und bin auch nicht verbittert. Aber ich weiß nicht, ob ich noch weiter so leben kann – und will! –, wie wir zuletzt gelebt haben. Sam.
PS : Gert hat ihr Fressen bekommen, sollte aber noch Gassi gehen. Wenn du willst, kannst du sie mir tagsüber ins Center bringen, und ich liefere sie dann abends wieder ab, falls du zu Hause bist. Sag mir einfach Bescheid.«
Farrell ließ sich auf einem der Küchenstühle nieder und legte den
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