Der Angriff
Recht, dachte Baxter bei sich. Wenn er eines Tages Präsident sein wollte – und das wollte er mehr als alles andere auf der Welt –, dann musste er jetzt zeigen, dass er imstande war, die Nation aus dieser schweren Krise zu führen.
31
General Flood, General Campbell, Direktor Stansfield und Irene Kennedy saßen an einem Ende des langen Tisches im Besprechungszimmer der Vereinigten Stabschefs. Ihnen gegenüber saßen der Verteidigungsminister und der Außenminister mit je einem Berater. Als Vizepräsident Baxter zusammen mit Dallas King eintrat, übernahm er den Vorsitz am Kopfende des Tisches, wo er zwischen den beiden Kabinettsmitgliedern Platz nahm. Die Krise hatte bei den Anwesenden deutliche Spuren hinterlassen; fast alle hatten dunkle Ringe unter den Augen und ein wenig zittrige Hände, was vom Schlafmangel bzw. von zu viel Kaffee kam.
Vizepräsident Baxter faltete seine Hände und legte sie auf den Tisch. Der Tritt in den Hintern, den King ihm zuvor verpasst hatte, veranlasste ihn, mit neuer Entschlossenheit an die Sache heranzugehen. Anstatt die anderen nach ihren Meinungen zu fragen, wandte sich Baxter dem Außenminister zu. »Charles«, sagte er, »ich will, dass Sie der UNO Feuer unterm Hintern machen, damit sie bis heute Abend die Sanktionen aufheben.«
Außenminister Charles Midleton beugte sich zu ihm hinüber und fragte: »Wie viel Druck kann ich ausüben?«
»So viel Sie wollen. Drohen Sie damit, dass wir für die nächsten fünfzig Jahre alle Resolutionen mit einem Veto blockieren und dass wir keine Beiträge mehr zahlen werden. Tun Sie alles, was notwendig ist, damit sie nachgeben. Wenn die Geiseln frei sind, können wir ja jederzeit eine neue Resolution verabschieden.«
»Es dürfte nicht ganz einfach werden«, warnte Midleton.
»Das ist mir egal. Sorgen Sie dafür, dass es klappt. Um den Rest kümmern wir uns später.«
Direktor Stansfield räusperte sich vernehmlich. »Verzeihung, aber sind wir da nicht ein wenig vorschnell?«
Baxter sah ihn verärgert an. Er war nicht in der Stimmung, über irgendetwas zu diskutieren. Was er wollte, war, Befehle zu geben und dafür zu sorgen, dass sie befolgt wurden. Doch als er nun zu dem kühlen, großväterlich gelassenen Thomas Stansfield hinüberblickte, geriet seine eben gewonnene Entschlossenheit ein wenig ins Wanken. Stansfield sah absolut harmlos aus, doch die Gerüchte, die Baxter über den alten Geheimagenten gehört hatte, ließen es ratsam erscheinen, sich nicht mit ihm anzulegen.
»Wie meinen Sie das, Thomas?«, fragte Baxter vorsichtig.
»Ich hielte es für klug, wenn wir zuerst einmal die Situation analysieren, bevor wir uns auf eine Vorgehensweise festlegen.«
»Ich denke, dass ich alle notwendigen Informationen zur Verfügung habe, um diese Entscheidung zu treffen. Aziz ist verhandlungsbereit; wir haben die Möglichkeit, das Leben von amerikanischen Bürgern zu retten, wenn wir im Gegenzug bereit sind, etwas zu tun, das wir nach humanitären Maßstäben wahrscheinlich sowieso tun sollten.«
»Und was wäre das genau?«, fragte General Flood frustriert.
»Dass wir damit aufhören, das irakische Volk hungern zu lassen.«
»Daran sind doch nicht wir schuld«, erwiderte General Flood verärgert. »Es ist Saddam Hussein, der sein eigenes Volk hungern lässt, indem er sich weigert, die Friedensbedingungen einzuhalten, die ihm nach einem Krieg auferlegt wurden, den er selbst begonnen hat. Wir wissen aus zuverlässiger Quelle, dass Aziz von Saddam finanziell unterstützt wurde, damit er einen Terroranschlag auf amerikanischem Boden unternimmt. Wie können wir da auch nur in Erwägung ziehen, von der UNO zu verlangen, dass sie die Sanktionen aufhebt?«
»Wir können nicht wissen, ob Ihre Informationen tatsächlich stimmen«, erwiderte der Vizepräsident.
Thomas Stansfield sah dem Vizepräsidenten fest in die Augen. »Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass diese Information der Wahrheit entspricht.«
Baxter spürte, dass er in die Defensive gedrängt wurde. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sagte: »Ich habe nicht die Absicht, Saddam Hussein zu verteidigen. Er ist ein übler Despot – aber hier geht es vor allem darum, so viele Geiseln wie möglich zu befreien. Wir können die nötigen Maßnahmen ja später wieder korrigieren.«
»Was ist, wenn sich die Dinge dann nicht mehr korrigieren lassen?«
»Ich denke, es wird jeder anerkennen, dass wir zu bestimmten Entscheidungen gezwungen wurden. Man hat uns
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