Der Angriff
Sie doch mit, dann führe ich Sie durch das Haus und stelle Sie den Leuten hier vor.« Während sie zur Messe, dem kleinen Speisesaal des Weißen Hauses, gingen, fuhr Alexander mit seinem Smalltalk fort. »Wie lange sind Sie denn schon in der Stadt?«, fragte er.
»Ich bin erst gestern angekommen.«
»Und – hat Ihnen schon jemand die Sehenswürdigkeiten gezeigt?«
»Nein. Ich habe noch nicht einmal meine Sachen ausgepackt.«
Alexander legte die Hand auf ihren Rücken und geleitete sie in die Messe. Anna bemerkte sehr wohl, dass er seine Hand länger auf ihrem Rücken ruhen ließ, als es angebracht war. Sie sah sich in der Cafeteria um und stellte bestürzt fest, dass auch sie sehr klein war. Ungefähr zwanzig Leute saßen an den rechteckigen Tischen, tranken Kaffee, aßen, unterhielten sich und lasen verschiedene Zeitungen.
»Sind Sie eigentlich verheiratet?«, fragte Alexander.
Anna Rielly zögerte einen Augenblick und kam zu dem Schluss, dass es nicht gut wäre, zu lügen. »Nein.«
Alexander grinste hoffnungsvoll: »Vielleicht könnte ich Ihnen heute Abend etwas von der Stadt zeigen. Ich kenne da ein tolles neues Restaurant in Adams-Morgan.«
»Danke, aber ich sollte erst meine Sachen auspacken.«
»Aber der Mensch muss doch auch essen«, sagte er hartnäckig.
Anna Rielly kam zu dem Schluss, dass sie mit diesem aufdringlichen Kerl Klartext reden musste. »Danke, aber ich habe da eine Regel, was das Ausgehen mit Reportern betrifft.«
»Und wie lautet diese Regel?«, fragte Alexander, immer noch lächelnd.
»Ich tu’s nicht«, antwortete Anna, während sie sich im Raum umblickte.
»Und warum nicht, wenn man fragen darf?«
Anna wandte sich ihm zu und sagte mit einem sarkastischen Lächeln: »Ich traue ihnen nicht.«
Alexander lachte. »Haben Sie sonst noch irgendwelche Regeln, die ich kennen sollte?«
»Ja … Ich gehe nicht gern mit Männern aus, die hübscher sind als ich.«
»Das hier ist das Roosevelt-Zimmer. Es hat seinen Namen von den beiden Porträts, die hier hängen.« Piper trat in den Raum und zeigte auf die beiden Bilder. Aziz zwang sich, ruhig zu bleiben, während Piper bei jedem Bild, jeder Statue und jedem Zimmer auf dem Weg zum Oval Office innehielt, um ihm irgendetwas zu erzählen. Piper führte seinen Gast durch den Westflügel und ließ sich lang und breit über die Geschichte des Hauses aus, was Aziz mit einem höflichen Kopfnicken quittierte.
»Wie Sie sehen, hängt das Porträt von Franklin Delano Roosevelt über dem Kaminsims, während das Porträt von Teddy Roosevelt hier drüben hängt. Es ist im Weißen Haus zur Tradition geworden, dass Teddys Bild über dem Kaminsims hängt, wenn ein Republikaner Präsident ist, und dass die Porträts den Platz tauschen, wenn ein Demokrat das Amt innehat. Im Moment gehört Franklin Delano der Ehrenplatz.« Piper faltete die Hände vor seinem stattlichen Bauch und betrachtete lächelnd das Porträt.
Während Aziz Interesse an den Kunstwerken und den historischen Räumlichkeiten vortäuschte, prägte er sich die genaue Position jedes einzelnen Secret-Service-Mannes ein, an dem sie vorbeikamen. Es erschien ihm alles so einfach, während er als willkommener Gast durch das berühmte Gebäude spazierte. All die Zäune, die Hightech-Sicherheitsvorkehrungen und die schwer bewaffneten Sicherheitsbeamten hätten ihn eigentlich aufhalten sollen – doch keiner von ihnen hatte auch nur die geringste Ahnung, dass ihr größter Feind mitten unter ihnen war.
Piper strich mit der Hand über die glänzende Oberfläche des Konferenztisches. »Viele unserer Gäste verwechseln dieses Zimmer mit dem Cabinet Room. Der ist aber auf der anderen Seite des Flurs, in Richtung des Presseraumes. Ich zeige Ihnen dieses Zimmer nach unserem Treffen mit dem Präsidenten.« Piper trat an den Kamin und blieb stehen. »Fast hätte ich’s vergessen«, sagte er und zeigte auf eine kleine Bronzeskulptur auf dem Kaminsims. »Das ist etwas, auf das wir sehr stolz sind. Unsere frühere First Lady, auch eine Demokratin, wenn ich das hinzufügen darf«, sagte Piper strahlend vor Stolz, »hat diese Büste von Eleanor Roosevelt in das Zimmer bringen lassen. Sie meinte, dass hier so viele Männer versammelt seien, dass es nicht schade, auch eine Frau in den erlauchten Kreis aufzunehmen.«
Aziz betrachtete die kleine Statue. »In meinem Land wäre so etwas undenkbar«, sagte er, drehte sich um und ging zu der offenen Tür zu seiner Rechten. Als er auf die andere Seite des
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