Der Angriff
blieb vor dem Mann stehen, der mit weißem Hemd und gelockerter Krawatte dasaß, und fragte Bengazi: »Der hier?« Bengazi nickte.
Aziz wandte sich dem Mann zu. »Aufstehen!«, befahl er ihm. Der Mann kam der Aufforderung nach; es zeigte sich, dass er einige Zentimeter größer war als Aziz. Er schien Anfang fünfzig zu sein und hatte kurz geschnittenes braunes Haar, das teilweise ergraut war. Mit einer Stimme, die laut genug war, damit alle ihn hören konnten, fragte Aziz: »Sie haben etwas verlangt?«
»Äh«, begann der Mann nervös, »wir haben eine schwangere Frau in der Gruppe, und ein paar ältere Personen. Ich habe … einen Ihrer Männer … gefragt« – der Mann zeigte auf Bengazi – »ob wir vielleicht ein paar Decken und etwas zu essen … «
»Nein!«, fiel ihm Aziz ins Wort.
Der Mann wich einen halben Schritt zurück. »Aber … «, er zeigte auf eine der Frauen am Boden. »Die Frau hier ist schwanger.«
Aziz blickte auf den gewölbten Bauch der Frau hinunter. Sie lag auf dem Rücken, den Kopf in den Schoß einer älteren Frau gelegt. Ohne den Blick von der schwangeren Frau zu wenden, griff er nach seiner Pistole, zog die Waffe aus dem Holster und wandte sich wieder dem Mann zu. Ohne ein Wort zu sagen oder seinen Gesichtsausdruck auch nur eine Spur zu verändern, hob Aziz die Pistole an die Stirn des Mannes und drückte aus einer Entfernung von kaum dreißig Zentimetern ab.
Der laute Knall ließ jeden im Raum unwillkürlich zusammenzucken. Der Mann wurde zurückgeschleudert und stürzte mitten unter die zusammengekauerten Geiseln. Einige von ihnen wurden mit Blut und Knochensplittern bespritzt.
Schockierte Aufschreie gellten durch den Raum, als Aziz zur Tür ging. Sein kalter Gesichtsausdruck verbarg eine perverse Genugtuung darüber, dass er wieder ein Stück seines Planes verwirklicht hatte. Aziz verließ den Raum, während seine Männer die Geiseln mit lauten Zurufen aufforderten, still zu sein. Während er zum Besprechungszimmer zurückging, kräuselte ein Lächeln seine Lippen. Die Geiseln würden ihm keine Probleme mehr bereiten. Sie würden ab jetzt gefügig wie die Lämmer sein.
12
Als Vorsitzender der Joint Chiefs war General Flood der ranghöchste Offizier der amerikanischen Streitkräfte. Die Größe und die luxuriöse Ausstattung seines Büros, das ganz in der Nähe des Besprechungszimmers der Joint Chiefs lag, entsprach durchaus der Macht, die dieser Mann innehatte. An den Wänden waren jede Menge Fotos und Ehrenplaketten angebracht, die seinen militärischen Aufstieg dokumentierten.
Mitch Rapp saß auf einem der Stühle, die zur Tür hin gerichtet waren. Einer von General Floods Leuten hatte ihn vor einer halben Stunde hierher geführt. Seither hatte er vor allem eine teure Flasche Booker’s Whiskey angestarrt, die zur gut bestückten Bar des Generals gehörte. Rapp fühlte sich müde und gereizt. Er hatte fast eine Woche nichts mehr für seinen Körper getan, und nachdem er es gewohnt war, zumindest zwei Stunden pro Tag zu trainieren, und das an sechs Tagen die Woche, fühlte er sich entsprechend unwohl. Er hatte nur wenig geschlafen, das Essen war grauenhaft gewesen, und jetzt auch noch das. Seine Kompetenz wurde von einer Politikerin in Zweifel gezogen, die in den vergangenen zehn Jahren vor allem damit beschäftigt gewesen war, Jura-Studenten auszubilden, während er Kopf und Kragen riskiert hatte. Nie zuvor hatte sich Rapp derart frustriert gefühlt. Aziz war zum Greifen nahe, hier im Weißen Haus, und er konnte nichts tun als herumzusitzen und zu warten.
Nach weiteren zehn Minuten kam General Flood schließlich in sein Büro. Er wurde von Rapps beiden Vorgesetzten und General Campbell begleitet, der das Joint Special Operations Command innehatte. Rapp erhob sich und versuchte gleichzeitig an Direktor Stansfields Miene abzulesen, ob man ihn gleich hinausbringen und erschießen würde. Er erkannte jedoch sofort, dass es zwecklos war; Thomas Stansfields Gesichtsausdruck war genauso schwer zu deuten wie der der Sphinx. Je länger man hinsah, umso mehr glaubte man darin zu erkennen, ohne sich je ganz sicher zu sein.
General Flood öffnete die goldenen Knöpfe seiner Jacke. »Nun, Mr. Kruse, Sie haben da drin ja jede Menge Aufsehen erregt«, sagte er, zog seine Jacke aus und hängte sie über eine Sessellehne.
»Es tut mir Leid, wenn ich … «
Flood unterbrach ihn mit einer knappen Geste. »Kein Grund, sich zu entschuldigen. Das war genau das, was diese Leute
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