Der Angriff
Orion-Team bisweilen anwandten, niemals gebilligt hätte. Wenn es zu einer Untersuchung durch den Kongress käme, so würden die betreffenden Politiker diese Bühne zweifellos nützen, um sich zu profilieren und ein Exempel zu statuieren – und niemanden würde dann noch interessieren, dass sich das Land im Grunde in einem Krieg gegen den Terrorismus befand. Man würde das Orion-Team als eine Gruppe von rücksichtslosen Agenten hinstellen, die sich über alles hinwegsetzten; was in der amerikanischen Verfassung stand. Ein Mann wie Mitch Rapp, der gerade in diesem Augenblick wieder einmal sein Leben aufs Spiel setzte, wäre dann das perfekte Opfer sowohl für liberale als auch für konservative Opportunisten, denen es um nichts als ihre Karriere ging.
Irene Kennedy fühlte sich in gewisser Weise für Mitch Rapp verantwortlich. Sie war es gewesen, die im Winter 1988 an die Syracuse University gegangen war, um mit ihm zu sprechen. Nicht er war zur CIA gekommen, so wie sie es nach dem Tod ihres Vaters getan hatte – vielmehr war die CIA zu ihm gekommen, um ihn an Bord zu holen. Bei dem Flugzeugabsturz über Lockerbie waren 35 Studentinnen und Studenten aus Syracuse ums Leben gekommen – und eine von ihnen war Mitch Rapps Freundin gewesen. Mitch war immer noch von Trauer und Wut erfüllt, als Irene Kennedy ihm in Aussicht gestellt hatte, dass er den Tod seiner Freundin eines Tages würde rächen können – und er hatte die Chance sofort beim Schopf gepackt. Heute, zehn Jahre später, war Rapp ein Mann, der seinen Job als Killer in den Diensten der CIA wie kaum ein Zweiter beherrschte.
Präsident Hayes hatte genug gehört. Er dachte eine ganze Weile über die Konsequenzen seiner Entscheidungs-möglichkeiten nach. Wenn er sich dazu entschloss, nicht zu handeln, konnte es sein, dass Amerikaner als Folge davon ums Leben kamen. Ja, es war natürlich möglich, dass der Einsatz heute Nacht ebenfalls Todesopfer forderte – aber diese Männer hatten bewusst ein hohes Risiko auf sich genommen, als sie sich für ihren Job entschieden. Wenn er die Hände in den Schoß legte, so würde es vielleicht wehrlose Zivilisten treffen. Hayes wusste, was er zu tun hatte.
»General Campbell«, sagte der Präsident in entschiedenem Ton, »was ist Ihre Meinung dazu?«
»Ich finde, es ist eine Chance, die wir uns nicht entgehen lassen sollten, Mr. President«, antwortete Campbell in seinem typischen abgehackten Ton.
»Dr. Kennedy, ich nehme an, Sie sind ebenfalls der Meinung, dass wir handeln sollten?«, fragte Hayes.
»Ja, Mr. President.«
»Thomas?« Hayes blickte zum Direktor der CIA hinüber.
Stansfield überlegte einen Augenblick und nickte dann.
Zuletzt wandte sich der Präsident General Flood zu. »Jack, was meinen Sie?«
Der General verschränkte seine großen Hände ineinander und ließ sie mit einer entschiedenen Geste auf den Tisch niederfallen. »Ich finde, wir sollten ihn schnappen.«
Präsident Hayes blickte noch einmal zur Karte des Iran hinüber, die auf dem großen Bildschirm zu sehen war, und dachte dabei über mögliche Risiken nach, bevor er schließlich sagte: »Sie können mit der Operation beginnen.«
Kaum hatte er die Ermächtigung erteilt, gaben Kennedy und Campbell den zuständigen Personen telefonisch grünes Licht.
Stansfield schob zwei weiße Blätter über den Tisch, die den gleichen Text enthielten. Das eine Blatt war für die Akten des Präsidenten, das andere war für den CIA-Direktor selbst bestimmt. Der Präsident nahm einen Füllfederhalter aus seiner Brusttasche und unterzeichnete die Papiere. Es handelte sich bei dem Dokument um eine Presidential finding, die immer dann notwendig war, wenn der Präsident die Ermächtigung zu einem geheimen Einsatz erteilte. Diese einfachen Dokumente waren in Washington seit langem überaus umstritten.
»Wann haben Sie vor, die Geheimdienst-Ausschüsse zu benachrichtigen?«, fragte Präsident Hayes.
Das Gesetz schrieb vor, dass die Geheimdienst-Ausschüsse des Senats und des Repräsentantenhauses informiert werden mussten, bevor eine solche Operation gestartet werden konnte. In der Praxis wurde diese Vorschrift jedoch oft umgangen und das manchmal aus gutem Grund.
Stansfield legte das vom Präsidenten unterzeichnete Papier in eine Aktenmappe und sagte: »Zum Glück haben die betreffenden Herren heute Abend schon etwas vor. Ich werde ihren Beratern mitteilen, dass ich sie in ungefähr einer Stunde sprechen möchte. Wenn alles gut geht, werden sie erst in
Weitere Kostenlose Bücher