Der Angstmacher
wird eine Nacht, sage ich dir.«
»Meinetwegen.«
»Ho!« Er lachte auf. »Plötzlich ist die Süße nicht mehr prüde.« Dann nahm er einen langen Schluck, von Sally dabei skeptisch beobachtet.
»Ist was?« fragte er, als er die Flasche absetzte.
»Du solltest nicht so viel trinken, sonst wird es eine Nacht wie jede andere.«
Er starrte sie an. Den Ratschlag mußte er erst verdauen. »Ja, Süße, ja, du hast recht. Ich sollte wirklich nicht zuviel saufen.« Zur Demonstration schleuderte er die Flasche weg. Das letzte Bier schäumte aus der Öffnung und gegen das Hosenbein des Franzosen Gérard.
»Kannst du nicht aufpassen?«
»Ach, leck mich.«
Gérard Dubois schüttelte nur den Kopf. Danach schaute er Sally an, als könnte ernicht begreifen, daß sie sich ausgerechnet neben diesen Trunkenbold gesetzt hatte. Als er ihren Gesichtsausdruck sah, machte er sich seine Gedanken.
Man redete natürlich über das bevorstehende Ereignis. Die meisten waren davon überzeugt, daß alles klappen würde, nur der junge Mann aus Italien hatte seine Bedenken. Ihm gefiel die knappe Probezeit nicht. Er war der Meinung, daß sie in kaltes Wasser geworfen würden.
»Dann lernen wir eben schwimmen!« rief Anni Beckers.
»Ja, schwimmen, schwimmen.« Die Antwort ging unter in einem brausenden Gelächter, an dem sich Sally nicht beteiligte. Sie hatte sich etwas gedreht, um hoch zu ihrem Zimmerfenster schauen zu können. Den eigentlichen Grund wußte sie auch nicht, aber sie wurde das Gefühl nicht los, als hätte sie jemand gerufen.
Jens war nicht da. Erstand irgendwo weiter hinter im Garten und mußte austreten.
Die vierte Scheibe von links war es. Sally zählte sie genau ab - und glaubte, hinter ihr ein Gesicht zu sehen. Ein grünlich schimmernder Ballon, fratzenhaft verzerrt, mit einem bösen Grinsen und einem Wissen in den Augen. Heftig schrak sie zusammen, als sie jemand an der Schulter berührte. Sie drehte sich um und schaute in Gerards Gesicht, der neben ihr stand und auf sie niederblickte.
»Pardon, habe ich dich erschreckt?«
»Nein, ich war nur in Gedanken?«
»Du hast hochgeschaut?«
»Ja.«
»Gibt es da etwas Besonderes zu sehen.«
Sally wurde leicht rot, wenn sie log. Auch jetzt hatte sie Mühe, die Röte zu verbergen. Ganz schaffte sie es nicht, aber es war inzwischen dunkel, so konnte man es nicht sehen. »Da war nichts, ich bin etwas in Gedanken gewesen. Wegen morgen und dem Konzert.«
»Kann ich verstehen.« Dubois nahm einen Schluck Saft, den gab es auch. »Was ich allerdings nicht verstehe, ist, daß du dich so mit Andersen zusammenhockst. So habe ich dich nicht eingeschätzt.«
»Tue ich das?«
»Klar, das sieht doch jeder.«
»Neben irgend jemand muß ich ja sitzen. Hier bei Jens war noch ein Platz frei.«
»Du kannst auch zu uns kommen«, schlug Gérard vor.
»Danke, aber ich werde nicht mehr lange bleiben. Irgendwie bin ich müde.«
»He, du Affe, was machst du bei meiner Braut?« Jens war zurückgekehrt und regte sich darüber auf, daß Gérard dicht neben Sally stand.
»Ist sie denn deine Braut?«
Andersen warf sich in die Brust. »Und ob sie das ist. Die gehört mir, begriffen?«
»Nein, ich gehöre mir selbst«, erklärte Sally. »Da hörst du's.«
Andersen winkte ab. »Die soll sich nicht so anstellen. Jedenfalls…«
»Werde ich gehen, wenn du dich nicht zusammenreißt, Jens!« erklärte Sally.
Andersen ging einen Schritt zurück. »Ja, schon gut, schon gut.« Er hatte viel getrunken und schwitzte dementsprechend. Mit der Handfläche strich ersieh das feuchte Haar aus der Stirn. »Ich bin ja ganz ruhig.« Er verdrehte die Augen. »Wie ein Baby.«
»Das hoffe ich auch«, sagte Sally.
Gérard Dubois zog sich wieder zurück. Jens Andersen aber fragte: »Bleibst du noch?«
»Nicht mehr lange.«
»Und dann…?« Sein Grinsen wurde lüstern, der Blick lauernd.
»Ich bin auf meinem Zimmer.«
»Das nicht abgeschlossen ist.«
»Genau.«
Jens schluckte. »Okay, ich dusche mich noch.« Er drehte sich leicht schwankend um. »Das Wasser vertreibt die Nebel in meinem Hirn. Bis gleich dann.«
Niemand hatte sein Worte gehört, sie waren zu leise gesprochen worden. Es war Sally auch sehr recht. Sie wollte ihren Plan ungestört durchführen können.
Allerdings mußte sie den Schein wahren und noch sitzen bleiben. Anni Beckers kam zu ihr. »Sag mal, Sally, darf ich dich um einen Gefallen bitten?«
»Sicher.«
»Morgen möchte ich mir gern deine Harfe genauer anschauen. Ist das
Weitere Kostenlose Bücher