Der Angstmacher
nicht zu uns. Er ist gegangen, weil er wohl die Nase voll hatte. Das ist alles. Außerdem sind wir alle erwachsen.«
»Das kann ich nicht abstreiten. Hat er eigentlich seine persönlichen Dinge mitgenommen?«
»Weiß ich nicht.«
»Wo wohnt er?«
Sie deutete nach rechts. »Nebenan.« Ich stand auf. »Ich werde mir sein Zimmer auch ansehen.«
»Wie sie meinen?«
Ich brauchte nur ein paar Schritte. Mittlerweile war ich fest davon überzeugt, daß Sally Saler der Dreh-und Angelpunkt dieser unheimlichen Geschichte war. Diese junge Frau wußte wesentlich mehr, als sie zugeben wollte.
Das Zimmer des Verschwundenen war nicht verschlossen. Ich betrat es und brauchte mich nicht erst groß umzuschauen, um erkennen zu können, daß er seine persönlichen Dinge zurückgelassen hatte. Die Kleidung hing im Schrank, der Koffer lag darauf, und auf dem Kopfkissen glänzte eine Konzerttrompete. So verließ niemand sein Zimmer.
Jetzt war ich gespannt, welche Antworten mir Sally Saler geben würde. Ich stand schon dicht vor der Für, als ich aus dem Nebenraum den Klang der Harfe hörte.
Sie schlug die Akkorde einmal durch, und ich war von der Musik fasziniert.
Ein wunderbarer Klang echote in meinen Ohren nach. Dabei vergaß ich mein Vorhaben, stand da und lauschte.
Sally spielte perfekt, wenigstens für mich. Die Klangfolgen ließen mich nicht in Ruhe. Ich ging sogar zurück und nahm auf dem Bett Platz, um zu lauschen.
Das Spiel war wunderbar weich und melodisch, aber es konnte sich auch verändern.
Das geschah von einem Augenblick zum anderen.
Plötzlich drangen die ersten Dissonanzen an meine Ohren. Die Saiten der Harfe schienen sich aufzubäumen und sich dagegeti zu wehren, derart malträtiert zu werden.
In meinem Kopf dröhnten die Klänge nach. Ich kam mir zwar nicht wie berauscht vor, aber in mir veränderte sich etwas. Mein Herz schlug schneller.
Die Klänge wurden durch nichts gestoppt. Ich bekam plötzlich furcht. Schweiß bildete sich nicht nur auf meinen Handflächen, er rann mir auch über die Stirn.
Dieses Spiel galt nur mir, das wußte ich, ohne daß es mir gesagt worden wäre.
Irgendwie kam es mir fatal vor. Ich schwitzte noch mehr, der Herzschlag nahm an Schnelligkeit zu, und dann war da etwas, das meinen Brustkorb zusammendrückte und das Gefühl der Angst hochsteigen ließ. Hatte nicht auf dem Gesicht der toten Ellen Saler ebenfalls ein Ausdruck des Schreckens und der Angst gelegen? Sollte mir das gleiche Schicksal blühen, wie dieser bedauernswerten Person?
Alle Anzeichen wiesen darauf hin.
Die Musik wurde zur Folter. Sie malträtierte mich, machte mich fertig, steigerte die heiße Angst in meinem Innern. Ich lag auf dem Rücken und atmete schwer. Aus meinem Mund drangen röchelnde, seufzende Laute. Jedesmal, wenn ich tief einatmete, bäumte ich mich wieder auf, und die Musik schlug mir voll entgegen.
Die Angst kroch in mir hoch. Sie war unsichtbar, aber ich merkte sie genau.
Schlimme Sekunden stand ich durch. Es gab nur zwei Dinge für mich. Die Angst und den Klang der Harfe.
Aber ich mußte weg und mich aus diesem verdammten Hexenkessel befreien.
Noch konnte ich mich bewegen, noch hatte mich die Furcht nicht starr werden lassen. Mit all meinen Kräften kämpfte ich gegen das Gefühl an, und es gelang mir sogar, die Arme zu heben. Dabei näherte ich meine Hände den Ohren.
War das eine Chance?
Ich preßte die Handballen gegen die Ohren, um die verfluchte Musik nicht mehr hören zu müssen.
So ganz gelang es mir nicht. Ich vernahm sie jetzt gedämpfter, wie aus einer gewissen ferne kommend.
Ich rollte mich vom Bett, schlug schwer auf und kroch, ohne die Hände von den Ohren wegzunehmen, wie ein Frosch zur Tür. Auch weiterhin schlug mein Herz schneller als gewöhnlich. Das Blut toste durch die Adern, ich spürte ein hartes Hämmern hinter der Stirn und Schwäche in den Gliedern.
Neben der Tür drückte ich mich hoch. Mit der Schulter schrammte ich dabei an der Wand entlang, die ich gleichzeitig als Stütze benutzte. So brauchte ich die Hände nicht von den Ohren wegzunehmen. Gebückt blieb ich stehen und drückte den Ellbogen auf die Klinke. Die Tür öffnete sich einen Spalt. Mit der Fußspitze zog ich sie in das Zimmer hinein und hatte endlich freie Bahn. Wie ein Betrunkener torkelte ich in den Gang, ohne mich selbst stoppen zu können.
Das besorgte die gegenüber liegende Wand. Sie allein hielt mich auf, und ich hatte den Kopf gesenkt.
Der Gang verschwamm vor meinen Augen. Ich kam mir
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