Der Anruf kam nach Mitternacht
eines Kindes, das ungefähr in dem Jahr starb, als man selbst geboren wurde. Dann besorgt man sich eine Kopie der Geburtsurkunde. Damit melden Sie sich bei der Sozialversicherung an, beantragen den Führerschein und die Heiratsurkunde. Sie werden zu diesem Kind, das jetzt erwachsen ist. Eine neue Identität, ein neues Leben, und alle Dokumente belegen es.«
»Aber – woher wissen Sie das alles?«
»Heutzutage erfährt man alles über den Computer. Nach ein paar Überprüfungen stellte ich fest, dass Geoffrey Fontaine nie zum Militär eingezogen wurde, niemals zur Schule gegangen war und nie ein Bankkonto besessen hatte – bis vor einem Jahr, als sein Name plötzlich an einem Dutzend verschiedener Orte auftauchte.«
Sarah verschlug es die Sprache. »Wer war er dann?«, flüsterte sie schließlich. »Wen habe ich geheiratet?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Nick.
»Aber warum? Warum sollte er so etwas tun? Weshalb hat er ein neues Leben anfangen wollen?«
»Dafür gäbe es viele Gründe. Mein erster Gedanke war, dass man ihn wegen irgendeines Verbrechens suchte. Seine Fingerabdrücke lagen beim Kraftfahrzeugamt vor. Ich habe sie bereits durch den FBI-Computer geschickt, sein Name stand jedoch auf keiner der Listen.«
»Dann war er also kein Verbrecher.«
»Dafür gibt es keinen Beweis. Eine weitere Möglichkeit ist die, dass er Zeuge in einem Bundesgerichtsverfahren war und dass man ihm zu seinem Schutz einen neuen Namen gegeben hat. Das ist schwierig für mich herauszufinden. Diese Unterlagen sind Verschlusssache. Andererseits hätten wir dadurch ein Motiv für den Mord an ihm.«
»Wie soll ich das verstehen? Dass die Leute, gegen die er ausgesagt hatte, ihn aufgespürt hätten?«
»Ganz recht.«
»Aber von so einer Sache hätte er mir erzählt, er hätte sich mir mitgeteilt …«
»Deshalb bin ich auch noch auf eine weitere Möglichkeit gekommen, die Sie vielleicht bestätigen können, Sarah.«
»Erzählen Sie.«
»Es könnte sein, dass der neue Name und das neue Leben Ihres Mannes nur Teil seiner Tätigkeit waren. Vielleicht war er gar nicht auf der Flucht vor irgendetwas, sondern man hat ihn hierher geschickt.«
»Sie meinen, er war ein Spion«, sagte Sarah leise.
Nick nickte. Seine Augen, mit denen er sie ansah, hatten die Farbe der Sturmwolken, die draußen vorüberjagten.
»Ich glaube es nicht«, erklärte Sarah. »Nichts von allem!«
»Ich versichere Ihnen, es stimmt.«
»Warum erzählen Sie es dann mir? Woher wollen Sie wissen, dass ich keine Komplizin oder etwas Ähnliches bin?«
»Ich weiß, Sie sind in Ordnung, Mrs. Fontaine. Ich habe Ihre Akte eingesehen …«
»Oh! Über mich gibt es also auch eine Akte?«, fuhr sie auf.
»Sie wurden vor einigen Jahren sicherheitsüberprüft, erinnern Sie sich nicht? Aufgrund der Forschungsarbeiten, die Sie vornehmen. Selbstverständlich wurde damals eine Akte angelegt.«
»Selbstverständlich.« Ihre Stimme klang bitter.
»Aber ich bin nicht nur nach Einsicht Ihrer Akte davon überzeugt, dass Sie nichts mit der Sache zu tun haben. Ich habe es auch im Gefühl. Und jetzt überzeugen Sie mich davon, dass ich Recht habe.«
»Wie? Soll ich mich einem Lügendetektortest unterziehen?«
»Fangen Sie damit an, mir über sich und Geoffrey zu erzählen. Haben Sie sich geliebt?«
»Natürlich!«
»Es war also eine echte Ehe? Sie hatten – eine Beziehung?«
Sarah errötete. »Ja, wie jedes normale Ehepaar. Möchten Sie wissen, wie oft und wann?«
»Ich mache keine Scherze mit Ihnen. Ich halte meinen Hals für Sie hin. Wenn Ihnen meine Art nicht gefällt, ziehen Sie vielleicht die Behandlung durch den CIA vor.«
»Dann haben Sie dem CIA bis jetzt keine Meldung gemacht?«
»Nein.« Unwillkürlich reckte Nick trotzig das Kinn vor. »Ich finde die Art, wie die mit solchen Dingen umgehen, nicht sehr passend. Vielleicht bekomme ich jetzt deswegen eins auf den Deckel, vielleicht auch nicht.«
»Warum geben Sie sich dann überhaupt mit der Sache ab?«
Nick zuckte die Schultern. »Neugier. Vielleicht ist es eine Gelegenheit herauszufinden, wozu ich selbst imstande bin.«
»Ehrgeiz?«
»Wahrscheinlich auch, wenn ich ehrlich bin. Außerdem …« Er sah sie an, und ihre Blicke trafen sich. Plötzlich wurde er schweigsam.
»Außerdem was?«, fragte Sarah nach.
»Nichts.«
Mittlerweile goss es in Strömen. Nick verließ den Highway und reihte sich in den stadteinwärts fließenden Verkehr ein. Die Art, wie er fuhr, gab Sarah ein Gefühl der
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