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Der Anruf kam nach Mitternacht

Der Anruf kam nach Mitternacht

Titel: Der Anruf kam nach Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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kommen«, sagte Nick und sah in den Rückspiegel. »Wir haben nur noch eine kurze Strecke bis zum Savoy. Und man folgt uns noch immer.«
    Anderthalb Stunden später saßen sie in einem Café und beendeten ihr Frühstück. Endlich fing Sarah an, sich wieder wie ein normaler Mensch zu fühlen. Zufrieden wärmte sie sich die Hände an ihrer Teetasse. Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt zu einem Rock einen grauen Lambswoolpullover.
    Während sie aßen, hatte Sarah Nick von den Ereignissen berichtet und dabei ständig die Tür im Auge behalten. Als sie mit ihrer Schilderung zu Ende kam, war das Geschirr bereits abgeräumt und sie waren bei der zweiten Kanne Tee angelangt.
    »Eve war also auch Ihrer Meinung, dass Geoffrey noch lebt?«, fragte er.
    »Ja. Die gestohlene Fotografie überzeugte sie davon.«
    »Gut«, sagte Nick und ging in Gedanken durch, was Sarah ihm soeben erzählt hatte. »Also, Eves Ansicht nach ist jemand hinter Geoffrey her, um ihn zu töten. Jemand, der nicht weiß, wie er aussieht, der aber weiß, dass sein neuer Name jetzt Fontaine lautet. Geoffrey stellt fest, dass er verfolgt wird. Er fliegt nach Berlin, ruft Eve an und trägt ihr auf zu verschwinden. Dann inszeniert er seinen eigenen Tod.«
    »Das erklärt noch nicht, warum man Eve erstochen hat.«
    »Eine ganze Menge wird dadurch nicht erklärt. Es bleiben zu viele Fragen. Wessen Leiche wurde zum Beispiel beerdigt? Aber wir haben wenigstens eine Erklärung für die gestohlene Fotografie. Wenn Simon Dance sich sein Äußeres durch einen Gesichtschirurgen hat verändern lassen, dann könnte es sein, dass sein Verfolger ihn nicht wiedererkennt.«
    »Und weshalb verfolgt man uns? Nimmt man an, ich würde sie auf die Spur zu Geoffrey führen?«
    Er nickte. »Und damit kommen wir zu dem Detail, das mich wirklich stört: Ihre Freilassung. Ich glaube kein Wort von der Geschichte, die Polizei habe nicht genügend Beweise gegen Sie. Als ich mich mit Inspektor Appleby unterhielt, schien er bereit, Sie für den Rest Ihres Lebens hinter Gitter zu bringen. Dann tauchte Potter auf, und – bumm! – alles löst sich in Wohlgefallen auf. Mir nichts, dir nichts sind Sie frei. Ich glaube, dass jemand Druck auf den guten Inspektor ausgeübt hat. Die Anweisung muss von oben gekommen sein – von ganz weit oben! Jemand möchte Sie in Freiheit sehen und wartet jetzt darauf, was Sie als Nächstes unternehmen werden.«
    Die Erschöpfung hatte graue Schatten unter Nicks Augen hinterlassen. Sarah fragte sich, wie viel er geschlafen haben mochte. Wahrscheinlich nur sehr wenig auf einem solchen Transatlantikflug. Sie verspürte den Wunsch, ihre Hand auszustrecken und über seine Wange zu streicheln. Doch sie strich nur mit den Fingern über seine Hand.
    Er schien über die Berührung ihrer Hände auf dem Tisch erstaunt zu sein. Ich habe ihn in Verlegenheit gebracht, dachte sie und das Blut schoss ihr in die Wangen. Ich habe uns beide in Verlegenheit gebracht. Doch als sie ihre Hand fortziehen wollte, schlossen sich seine Finger fest darum. Die Wärme seiner Haut schien ihr den Arm hinauf zufließen und jeden Teil ihres Körpers auszufüllen.
    »Sie glauben, Geoffrey lebt noch, nicht wahr?«, murmelte sie.
    Er nickte. »Ich nehme an, dass er lebt.«
    Sie starrte auf ihrer beider über dem Tisch verschränkten Hände. »Ich habe nie geglaubt, dass er tot ist«, flüsterte sie.
    »Jetzt, da Sie die Tatsachen kennen, was empfinden Sie für ihn?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts mehr …« Mit plötzlicher Intensität sah sie Nick in die Augen. »Die ganze Zeit hindurch habe ich ihm vertraut. Ich habe an ihn geglaubt. Oh, Sie halten mich wahrscheinlich für naiv, oder? Vielleicht war ich das. Aber wir haben alle unsere Träume, Nick. Träume, von denen wir hoffen, sie mögen wahr werden. Und wenn man so ist wie ich, zweiunddreißig Jahre alt, einsam und nicht besonders hübsch, wenn dann ein Mann sagt, ich liebe dich, will man ihm umso mehr glauben.«
    »Sie irren, Sarah«, sagte er sanft. »Sie sind sehr hübsch.«
    Sie wusste, er wollte nur nett sein. Sie senkte den Kopf und sah betreten auf den Tisch. Was dachte er wohl wirklich von ihr? Dass nur eine so farblose Frau wie sie so leichtgläubig sein konnte?
    Sie entzog ihm die Hand und griff nach der Teetasse. Natürlich wusste sie, was er dachte: dass Geoffrey sich sein Opfer geschickt ausgesucht hatte, dass Sarah, dieses Dummchen, sich schnell und heftig in ihn verliebt hatte. Sie sah es ganz deutlich vor

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