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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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unsichtbaren Widerstand. Ich sah mich noch einmal um. Atmete die nach Chemie stinkende Luft noch einmal tief ein. Dann schloss ich die Augen und begann Stufen hinaufzusteigen, die ich nicht sehen konnte. Ab der vierten Stufe wich die kühle Nacht abgestandener Wärme und den Gerüchen von Kaffee und Gewürzen. Zumindest galt das für meine obere Körperhälfte. Von der Taille abwärts konnte ich noch die Nachtkühle spüren.
    So stand ich vielleicht drei Sekunden da, halb in der Gegenwart, halb in der Vergangenheit. Dann öffnete ich die Augen, sah Als abgemagertes, sorgenvolles, viel zu schmales Gesicht und trat ins Jahr 2011 zurück.

Teil 3
    TEIL 3
    IN DER
VERGANGENHEIT
LEBEN

Kapitel 9
    KAPITEL 9
    1
    Ich hätte eigentlich gedacht, mich könnte nichts mehr überraschen, aber was ich gleich links neben Al sah, ließ mir den Mund offen stehen: eine brennende Zigarette in einem Aschenbecher. Ich griff an ihm vorbei und drückte sie aus. »Willst du den letzten Rest gesundes Lungengewebe unbedingt raushusten?«
    Er antwortete nicht darauf. Ich wusste nicht, ob er mich überhaupt gehört hatte. Er starrte mich mit großen Augen an. »Herrgott, Jake – wer hat dich skalpiert?«
    »Niemand. Komm, ich muss hier raus, bevor ich an deinem Rauch ersticke.« Diese Schelte war allerdings nicht ganz berechtigt. In den Wochen, die ich in Derry zugebracht hatte, hatte ich reichlich Gelegenheit gehabt, mich an Zigarettenrauch zu gewöhnen. Wenn ich nicht aufpasste, würde ich bald selbst zum Raucher werden.
    »Du bist skalpiert«, sagte er. »Du weißt es nur nicht. Hinter deinem Ohr hängt ein behaarter Hautlappen runter, und … Wie viel Blut hast du überhaupt verloren? Einen Liter? Und wer hat dir das angetan?«
    »A: weniger als einen Liter. B: Frank Dunning. Wenn deine Fragen damit beantwortet sind, darf ich jetzt eine stellen. Du hast gesagt, du würdest beten. Wieso hast du stattdessen geraucht?«
    »Weil ich nervös war. Und weil das jetzt keine Rolle mehr spielt. Ich hab schon Lungenkrebs.«
    Da konnte ich ihm kaum widersprechen.
    2
    Al schlurfte langsam hinter die Theke, wo er einen Schrank öffnete, dem er eine Kunststoffbox mit einem roten Kreuz auf dem Deckel entnahm. Ich setzte mich auf einen der Hocker und sah auf die Wanduhr. Es war Viertel vor acht gewesen, als Al die Tür aufgesperrt und in den Diner vorausgegangen war. Vermutlich fünf vor acht, als ich die Treppe hinunterstieg und ins Wunderland circa 1958 hinaustrat. Al hatte behauptet, dass jeder Trip genau zwei Minuten dauern würde, und die Wanduhr schien das zu bestätigen. Ich hatte zweiundfünfzig Tage im Jahr 1958 verbracht, aber hier war es 7.59 Uhr.
    Al legte Verbandmull, Heftpflaster und Desinfektionsmittel bereit. »Beug dich nach vorn, damit ich die Wunde sehen kann«, sagte er. »Stütz das Kinn auf die Theke.«
    »Die Desinfektion kannst du dir sparen. Das ist vor vier Stunden passiert, das Blut ist längst geronnen. Siehst du?«
    »Man kann nicht vorsichtig genug sein«, sagte er, dann setzte er meinen Scheitel in Brand.
    »Ahhh!«
    »Tut weh, was? Weil die Wunde noch offen ist. Du willst dich 1958 von irgendeinem Medizinmann wegen einer entzündeten Kopfwunde behandeln lassen, bevor du nach Big D fährst? Glaub mir, Kumpel, das willst du nicht. Halt still! Ich muss ein paar Haare wegschneiden, sonst hält das Pflaster nicht. Zum Glück hast du sie dir ziemlich kurz schneiden lassen.«
    Schnipp-schnipp-schnipp. Dann verstärkte er das Brennen noch mit Druck, indem er ein Mullpolster auf die Platzwunde presste und mit Heftpflaster befestigte.
    »Den Mullverband kannst du in zwei, drei Tagen abnehmen, aber ich rate dir, in den ersten Wochen eine Mütze zu tragen. Dort oben wird’s noch eine Zeit lang räudig aussehen, und falls die Haare gar nicht nachwachsen, kannst du ja einfach andere drüberkämmen. Willst du zwei Aspirin?«
    »Ja. Und eine Tasse Kaffee. Kannst du einen machen?« Obwohl Kaffee nur vorübergehend helfen würde. Was ich brauchte, war Schlaf.
    »Klar kann ich das.« Er schaltete den Bunn-o-Matic ein, dann wühlte er wieder in dem Erste-Hilfe-Kasten. »Du scheinst etwas abgenommen zu haben.«
    Das sagst ausgerechnet du, dachte ich. »Ich bin krank gewesen. Hab ein Vierundzwanzigstunden …« An dieser Stelle verstummte ich plötzlich.
    »Jake, was ist los?«
    Mein Blick war auf Als Fotowand gefallen. Bevor ich die Treppe hinabgestiegen war, hatte dort ein gerahmtes Foto von Harry und mir gehangen. Wir hatten beide gelächelt

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