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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ersten Trip in Derrys bewegte Vergangenheit aus dem Lamplighter kannte. Er hielt einen prall gefüllten Briefumschlag in der Hand, auf dem in Druckschrift G. AMBERSON stand.
    »Da sind Sie ja, junger Freund«, sagte er, »lebensgroß und doppelt so stattlich wie sonst. Und hier ist Ihre Beute. Sie können sie ruhig nachzählen.«
    »Ich vertraue Ihnen«, sagte ich und steckte den Umschlag ein. »Für einen Kerl, der eben drei Mille geblecht hat, sind Sie mächtig gut gelaunt.«
    »Ich will nicht bestreiten, dass Sie den Reingewinn des diesjährigen Herbstklassikers vermindern«, sagte er. » Erheblich vermindern, obwohl ich trotzdem ein paar Dollar verdiene. Das tue ich immer. Aber ich mache das hauptsächlich als, wiesagtmangleichwieder, als Dienst an der Öffentlichkeit. Die Leute wollen wetten, die Leute werden immer wetten, und ich zahle jeden Gewinn prompt aus, wenn einer fällig ist. Außerdem gefällt es mir, Wetten anzunehmen. Für mich ist das eine Art Hobby. Und wissen Sie, was mir am besten gefällt?«
    »Nein.«
    »Wenn jemand wie Sie aufkreuzt: ein richtiger Draufgänger, der eine aussichtslose Wette abschließt und sie gewinnt. Das stellt meinen Glauben an die zufällige Natur des Universums wieder her.«
    Ich fragte mich, für wie zufällig er sie halten würde, wenn er Al Templetons Spickzettel sehen könnte.
    »Ihre Frau scheint das nicht ganz so gelassen zu sehen.«
    Er lachte, und seine kleinen, schwarzen Augen funkelten. Sieg, Niederlage oder Unentschieden, der kleine Mann mit der Meerjungfrau auf dem Unterarm genoss das Leben in vollen Zügen. Ich bewunderte das. »Oh, Marjorie. Wenn hier irgendein Jammerlappen mit dem Verlobungsring seiner Frau und einer traurigen Geschichte aufkreuzt, zerfließt sie vor lauter Sentimentalität. Aber wenn es um Sportwetten geht, ist sie eine andere Frau. Die nimmt sie persönlich.«
    »Sie lieben sie sehr, nicht wahr, Mr. Frati?«
    »Wie den Mond und die Sterne, junger Freund. Wie den Mond und die Sterne.«
    Marjorie hatte die heutige Zeitung gelesen, die noch auf der Vitrine mit den Ringen und dem anderen Schmuck lag. Die Schlagzeile verkündete:
    FAHNDUNG NACH GEHEIMNISVOLLEM MÖRDER GEHT WEITER, WÄHREND FRANK DUNNING BEIGESETZT WIRD.
    »Welches Motiv vermuten Sie denn dahinter?«, fragte ich.
    »Keine Ahnung, aber eins kann ich Ihnen sagen.« Als er sich nach vorn beugte, war sein Lächeln verschwunden. »Er war nicht der Heilige, als den das Lokalblatt ihn jetzt hinstellt. Ich könnte Ihnen Geschichten erzählen, junger Freund.«
    »Schießen Sie los. Ich hab den ganzen Tag Zeit.«
    Das Lächeln erschien wieder. »Ach was. Wir in Derry bleiben gern unter uns.«
    »Das ist mir auch schon aufgefallen«, sagte ich.
    14
    Ich wollte in die Kossuth Street zurückgehen. Ich wusste, dass die Cops möglicherweise das Haus der Dunnings beobachteten, um zu sehen, ob sich jemand in ungewöhnlichem Maß für die Familie interessierte, aber mein Wunsch war trotzdem sehr stark. Es war nicht Harry, den ich sehen wollte, sondern seine kleine Schwester. Es gab einiges, was ich ihr erzählen wollte.
    Dass sie an Halloween wie alle Kinder losziehen solle, um Süßes oder Saures zu fordern, egal, wie sehr sie um ihren Daddy trauere.
    Dass sie als die hübscheste, geheimnisvollste Indianerprinzessin, die man jemals gesehen habe, mit einem Berg von Süßigkeiten heimkommen werde.
    Dass mindestens dreiundfünfzig lange, arbeitsreiche Jahre vor ihr lägen – und vermutlich noch viele mehr.
    Und vor allem, dass sie wirklich ihr Allerbestes tun müsse, um ihren Bruder Harry umzustimmen, wenn er eines Tages den Wunsch äußere, eine Uniform anzuziehen und Soldat zu werden.
    Nur vergaßen Kinder allzu leicht. Wie jeder Lehrer sehr wohl wusste.
    Und sie dachten, dass sie ewig leben würden.
    15
    Es wurde Zeit, Derry zu verlassen, aber bevor ich wegfuhr, hatte ich noch eine letzte kleine Aufgabe zu erledigen. Damit wartete ich bis Montag. Am 13. Oktober nachmittags warf ich meinen Koffer in den Kofferraum des Sunliners und blieb dann erst einmal hinter dem Steuer sitzen, um eine kurze Mitteilung zu verfassen. Ich steckte sie in einen Briefumschlag, klebte ihn zu und schrieb den Namen des Adressaten in Druckbuchstaben auf die Vorderseite.
    Anschließend fuhr ich in die Unterstadt hinunter, parkte und ging in den Sleepy Silver Dollar. Wie erwartet, war das Lokal bis auf Pete den Barkeeper leer. Er spülte Gläser und verfolgte dabei eine Folge der Serie Love of Life in der Glotze. Er

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