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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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kehrt. Ich hörte sie jetzt deutlich. Ihre schrille Stimme, die sie erhoben hatte, um die fünfzehn bis zwanzig Meter zwischen ihnen zu überbrücken, schmerzte in meinen Ohren wie das Quietschen von Fingernägeln auf einer Schiefertafel.
    »Und ruf mich an, wenn du wieder von Lee hörst, verstanden? Ich hab immer noch den Gemeinschaftsanschluss, mehr kann ich mir nicht leisten, bis ich einen besseren Job kriege, und diese Sykes im Erdgeschoss hängt dauernd am Telefon, das hab ich ihr auch schon gesagt, ich hab ihr tüchtig die Meinung gesagt. ›Mrs. Sykes‹, hab ich gesagt …«
    Ein Mann ging an ihr vorbei. Er hielt sich mit theatralischer Geste die Ohren zu und grinste. Falls Mama ihn sah, ignorierte sie ihn. Sie achtete jedenfalls ganz sicher nicht auf die verlegene Grimasse ihres Sohns.
    »›Mrs. Sykes‹, hab ich gesagt. »›Sie sind hier nicht die Einzige, die das Telefon braucht, daher wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie sich kurz fassen würden. Und wenn Sie’s nicht von selbst tun, muss ich vielleicht einen Vertreter der Telefongesellschaft anrufen, damit er Sie dazu zwingt .‹ Das hab ich gesagt. Ruf mich also an, Rob. Du weißt, wie sehr ich was von Lee hören will.«
    Dann kam der Bus. Als er auf die Haltestelle zurollte, sprach Robert lauter, um das Zischen der Druckluftbremsen zu übertönen. »Er ist ein verdammter Roter, Ma, und er kommt nicht zurück. Find dich damit ab.«
    »Ruf mich gefälligst an!«, verlangte sie schrill. Ihr grimmiges kleines Gesicht wirkte entschlossen. Sie stand mit leicht gespreizten Beinen da, wie ein Boxer, der bereit war, einen Schlag wegzustecken. Jeden einzelnen Schlag. Die Augen hinter ihrer schwarz gefassten Harlekinbrille funkelten. Ihr Halstuch war unter dem Kinn doppelt verknotet. Inzwischen hatte Regen eingesetzt, aber sie achtete nicht darauf. Sie holte tief Luft und hob ihre Stimme fast auf Schreilautstärke. »Ich will was von meinem guten Jungen hören, verstanden?«
    Robert Oswald flitzte die Stufen hinauf und verschwand in dem Bus, ohne zu antworten. Der fuhr mit einer Wolke bläulicher Abgase davon. Und während er das tat, erhellte ein Lächeln ihr Gesicht. Es bewirkte etwas, was ich einem Lächeln niemals zugetraut hätte: Es machte sie zugleich jünger und hässlicher.
    Ein Arbeiter ging an ihr vorbei. Soviel ich sehen konnte, rempelte er sie nicht an, streifte sie nicht einmal, aber sie fauchte: »Passen Sie doch auf, wohin Sie gehen! Der Gehsteig gehört nicht Ihnen allein!«
    Marguerite Oswald machte sich auf den Rückweg zu ihrer Wohnung. Als sie sich von mir abwandte, lächelte sie immer noch.
    Nachmittags fuhr ich betroffen und nachdenklich nach Jodie zurück. Ich würde Lee Oswald erst in einem Jahr zu Gesicht bekommen und war weiterhin entschlossen, ihn zu aufzuhalten, aber ich empfand schon jetzt mehr Mitgefühl für ihn, als ich jemals für Frank Dunning empfunden hatte.

Kapitel 13
    KAPITEL 13
    1
    Es war Viertel vor acht am Abend des 18. Mai 1961. Mein Garten lag im Zwielicht einer langen texanischen Abenddämmerung. Das Fenster stand offen, und eine leichte Brise ließ die Vorhänge wehen. Im Radio sang Troy Shondell »This Time«. Ich saß im früheren zweiten Schlafzimmer des kleinen Hauses, das jetzt mein Arbeitszimmer war. Der Schreibtisch war ein ausrangiertes Möbelstück aus der Highschool. Eines der Beine war kürzer, was ich durch Unterlegen ausgeglichen hatte. Die Schreibmaschine war eine Kof ferschreibmaschine von Webster. Ich sah die ersten rund hundertfünfzig Seiten meines Romans The Murder Place vor allem deshalb durch, weil Mimi Corcoran mir zusetzte, sie lesen zu wollen – und Mimi, das wusste ich inzwischen, gehörte zu den Menschen, die man nicht endlos lange mit Ausreden abspeisen konnte. Mit der Arbeit kam ich ziemlich gut voran. Es war kein Problem gewesen, Derry in der ersten Fassung in die fiktive Kleinstadt Dawson umzuwandeln, und die Umwandlung von Dawson in Dallas war noch einfacher. Ich hatte mit den Änderungen lediglich begonnen, damit das entstehende Werk meine gefälschte Biografie untermauerte, wenn Mimi es endlich lesen durfte, aber jetzt erschienen sie mir wichtig und unvermeidlich. Man hätte meinen können, der Roman hätte von Anfang an in Dallas spielen wollen.
    Es klingelte an der Haustür. Ich legte einen Briefbeschwerer auf das Manuskript, damit der Wind die Blätter nicht wegwehen konnte, und ging nach vorn, um zu sehen, wer mein Besucher war. An das alles erinnere ich mich sehr genau: die

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