Der Anschlag - King, S: Anschlag
mit Eingangsstufen aus bröckelnden Hohlblocksteinen und mit Pappe verschalten zerbrochenen Fensterscheiben. Auf die Kinder, von denen es hier wimmelte. Auf die alten, von Rost zerfressenen Fords und Hudsons und Studebaker Larks. Auf den unbarmherzigen texanischen Himmel. Dann ließ sie ein schreckliches Lachen hören, aus dem sowohl Belustigung als auch Verzweiflung sprachen.
»Mister, das hier is ’ne Bushaltestelle an ’ner Straße nach nirgendwo. Ich und das Balg da draußn segeln nach Mozelle zurück. Wenn Harry nich mitkomm will, segeln wir ohne den.«
Ich zog den Stadtplan aus meiner Gesäßtasche, riss einen Streifen ab und kritzelte meine Telefonnummer in Jodie darauf. Dann legte ich einen weiteren Fünfer hinzu und hielt ihr beide Geldscheine und den Papierstreifen hin. Sie sah sich alles an, griff aber nicht danach.
»Was soll ich mit Ihrer Telefonnummer? Ich hab kein gottverdammtes Telefon. Und das is gar keine Nummer von hier. Das is ’n gottverdammtes Ferngespräch.«
»Rufen Sie mich an, wenn Sie kurz vor dem Auszug sind. Mehr verlange ich gar nicht. Sie rufen mich an und sagen: ›Mister, hier ist Rosettes Mama – wir ziehen aus.‹ Das ist schon alles.«
Ich konnte sehen, wie sie rechnete. Dafür brauchte sie nicht lange. Zehn Dollar waren mehr, als ihr Mann an einem ganzen Arbeitstag unter der heißen texanischen Sonne verdiente. Weil Manpower nichts von Überstundenzuschlägen an Feiertagen hielt. Und dies hier würden zehn Dollar sein, von denen er nichts wusste.
»Macht noch fünfnsiebzich Cent«, sagte sie. »Fürs Ferngespräch.«
»Hier ist ein Dollar. Gönnen Sie sich was. Und vergessen Sie’s nicht.«
»Tu ich nich.«
»Das sollten Sie auch nicht. Denn wenn Sie’s vergessen, suche ich vielleicht Ihren Mann auf und erzähle ihm von unserer Vereinbarung. Diese Sache ist wichtig, Missus. Jedenfalls für mich. Wie heißen Sie überhaupt?«
»Ivy Templeton.«
Ich stand in Staub und Unkraut da und roch Scheiße, halb gekracktes Rohöl und den durchdringenden Furzgeruch von Erdgas.
»Mister? Was is los mit Ihn? Sie kuckn plötzlich ganz komisch.«
»Nichts«, sagte ich. Und vielleicht war es nichts. Templeton war durchaus kein ungewöhnlicher Name. Natürlich konnte man sich alles einreden, wenn man sich nur genug Mühe gab. Ich war der lebende, wandelnde Beweis dafür.
»Und wie heißn Sie? «
»Puddentane«, sagte ich. »Fragen Sie mich noch mal, dann sage ich dasselbe.«
Dieser Anflug von Grundschulneckerei entlockte ihr endlich ein Lächeln.
»Rufen Sie mich an, Missus.«
»Yeah, okay. Gehn Se jetzt. Und wenn Se beim Wegfahrn mein klein Teufelsbraten überfahrn, würden Se mir wahrscheinlich ’nen Gefalln tun.«
Ich fuhr nach Jodie zurück und fand dort einen Zettel an der Haustür.
George,
rufst Du mich bitte an? Du musst mir einen Gefallen tun.
Sadie (und eben das ist das Problem!!)
Was genau hatte das zu bedeuten? Ich ging hinein, um sie anzurufen und es herauszufinden.
4
Coach Bormans Mutter, die in Abilene im Pflegeheim lebte, hatte sich die Hüfte gebrochen, und am kommenden Samstag fand an der DCHS der Sadie Hawkins Dance statt. Ich konnte diese beiden Informationen nicht miteinander verknüpfen und sagte das Sadie auch.
»Der Coach hat mich dazu überredet, den Tanz mit ihm zu beaufsichtigen! Er hat gesagt, und ich zitiere: ›Wie können Sie nicht zu einem Tanz gehen, der praktisch nach Ihnen benannt ist?‹ Das war erst letzte Woche. Und ich dumme Gans habe zugesagt. Jetzt fährt er nach Abilene, und was heißt das für mich? Zweihundert sexbesessene Sechzehnjährige beaufsichtigen, die Twist und Philly tanzen? Unmöglich! Was ist, wenn welche von den Jungs Bier mitbringen?«
Ich dachte, dass es mich sehr wundern würde, wenn sie das nicht täten, sagte es aber lieber nicht.
»Oder wenn es eine Schlägerei auf dem Parkplatz gibt? Ellie Dockerty hat erzählt, dass letztes Jahr eine Gruppe von Jungs aus Henderson ungeladen zum Tanz erschienen ist, und zwei von denen und zwei von unseren mussten ins Krankenhaus! George, kannst du mir aushelfen? Bitte? «
»Bin ich eben von Sadie Dunhill gesadiehawkinst worden?« Ich grinste. Die Vorstellung, mit ihr zu dem Tanz zu gehen, erfüllte mich nicht gerade mit Trübsal.
»Mach keine Witze! Das ist nicht lustig!«
»Sadie, ich begleite dich sehr gern. Bringst du mir ein Anstecksträußchen mit?«
»Ich würde dir eine Flasche Champag ner mitbringen, wenn das der Preis dafür wäre.« Sie überlegte. »Oder
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