Der Anschlag - King, S: Anschlag
Nonstop-Musik (und vier kleinen roten Kuchen) beugte ich mich zu Sadie hinüber und sagte: »Wird Zeit, dass Aufseher Amberson seine erste Runde durchs Gebäude macht und sicherstellt, dass es auf dem Hof gesittet zugeht.«
»Soll ich mitkommen?«
»Ich möchte, dass du hierbleibst und die Punschschale im Auge behältst. Sollte sich ihr irgendein junger Mann mit einer Flasche nähern, auch wenn sie nur Hustensirup enthält, drohst du ihm mit dem elektrischen Stuhl oder mit Kastration – je nachdem, was du für wirkungsvoller hältst.«
Sie lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und lachte, bis Tränen in ihren Augenwinkeln glitzerten. »Geh jetzt, George, du bist schrecklich .«
Ich ging. Dass ich sie zum Lachen gebracht hatte, freute mich, aber selbst nach drei Jahren konnte man allzu leicht vergessen, wie viel stärker sexuell gefärbte Scherze im Land des Einst wirkten.
Ich erwischte auf der Ostseite der Turnhalle ein Paar, das im Schatten zwischen den Büschen knutschte – er mit einer Hand in ihrer Bluse forschend, sie wie festgesaugt an seinen Lippen. Als ich dem jungen Forscher auf die Schulter klopfte, fuhren sie erschrocken auseinander. »Das könnt ihr nach dem Tanz im Wäldchen machen«, sagte ich. »Jetzt geht erst mal wieder rein. Macht langsam. Kühlt ein bisschen ab. Trinkt ein Glas Punsch.«
Die beiden gingen. Sie knöpfte sich dabei ihre Bluse zu, und er bewegte sich leicht vornübergebeugt in der als Pralle-Eier-auf-Rückzug bekannten Gehweise pubertierender Jungs.
Hinter der Metallwerkstatt leuchteten zwei Dutzend rote Glüh würmchen. Ich winkte, und einige der Kids im Raucherbereich für Schüler erwiderten mein Winken. Ich steckte den Kopf um die Ostecke der Werkstatt und sah etwas, was mir gar nicht gefiel. Dort standen Mike Coslaw, Jim LaDue und Vince Knowles zusammen und ließen etwas zwischen sich herumgehen. Ich bekam es zu fassen und warf es über den Maschendrahtzaun, bevor sie überhaupt wussten, dass ich da war.
Jim wirkte im ersten Augenblick verblüfft, dann bedachte er mich mit dem lässigen Lächeln eines Footballhelden. »Auch Ihnen ein herzliches Hallo, Mr. A.«
»Spar dir die Anmache, Jim. Ich bin kein Mädchen, das du rumkriegen willst, und ganz bestimmt nicht dein Coach.«
Er wirkte verdattert und sogar ein wenig ängstlich, aber ich konnte nichts von gekränkter Rechthaberei auf seinem Gesicht feststellen. In einer der großen Schulen in Dallas hätte das wahrscheinlich anders ausgesehen. Vince war einen Schritt zurückgewichen. Mike behauptete seine Stellung, wirkte aber niedergeschlagen und verlegen. Nein, das war mehr als nur Verlegenheit. Er schämte sich regelrecht.
»Eine Flasche auf einem Schulball«, sagte ich. »Ich habe nicht erwartet, dass ihr euch an alle Regeln halten würdet – aber wie könnt ihr so dämlich sein, ausgerechnet gegen diese zu verstoßen? Jimmy, was wird aus deinem ’Bama-Stipendium, wenn du mit Alkohol erwischt wirst und aus dem Footballteam fliegst?«
»Wahrscheinlich darf ich nur noch mit der Mannschaft trainieren, aber nicht mitspielen«, sagte er. »Das ist alles.«
»Richtig, und wirst ein Jahr lang vom Unterricht ausgeschlossen, musst deine Zwischenprüfungen aber trotzdem machen. Das gilt auch für dich, Mike. Und du würdest aus der Theater- AG fliegen. Willst du das?«
»Nein, Sir.« Kaum mehr als ein Flüstern.
»Und du, Vince?«
»Äh, nein, Mr. A. Auf keinen Fall. Bleibt’s dieses Jahr eigentlich bei dem Stück mit der Jury? Dann möchte ich …«
»Weißt du nicht mal, dass man die Klappe hält, wenn ein Lehrer einem die Leviten liest?«
»Doch, Sir, Mr. A.«
»Nächstes Mal seid ihr dran, Jungs, aber heute Abend habt ihr Glück. Heute kriegt ihr nur einen guten Rat: Versaut euch eure Zukunft nicht. Nicht wegen einer Flasche Five Star bei einem Schultanz, an den ihr euch nächstes Jahr nicht mal mehr erinnern werdet. Kapiert?«
»Ja, Sir«, sagte Mike. »Tut mir leid.«
»Mir auch«, sagte Vince. »Absolut.« Dabei bekreuzigte er sich grinsend. Manche waren einfach so. Wer weiß, vielleicht brauchte die Welt ja einen gewissen Prozentsatz Klugscheißer als Mittel gegen Langeweile.
»Jim?«
»Ja, Sir«, sagte er. »Bitte erzählen Sie’s nicht meinem Daddy.«
»Nein, das bleibt unter uns.« Ich musterte sie prüfend. »Nächstes Jahr im College werdet ihr genügend Kneipen finden, in denen ihr trinken könnt, Jungs. Aber nicht an unserer Schule. Habt ihr gehört?«
Diesmal sagten alle drei: »Ja,
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