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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Einmal verfehlte sie im Wegwirbeln meine Hand und wäre hingeknallt, wenn in der Nähe nicht ein paar muskulöse Footballspieler mit blitzschnellen Reflexen gestanden hätten. Sadie lachte darüber, aber ich erkannte die Verlegenheit in ihrem Blick. Und den Vorwurf. Als wäre es meine Schuld gewesen. Was es in gewisser Weise auch war.
    Irgendwann würde es eine Explosion geben. Sie hätte sich früher ereignet, hätte es nicht das Jodie Jamboree gegeben. Das verschaffte uns eine Galgenfrist, gab uns Gelegenheit, über alles nachzudenken, bevor wir zu einer Entscheidung gezwungen wurden, die keiner von uns treffen wollte.
    4
    Im Februar kam Ellen Dockerty mit zwei Bitten zu mir: Erstens solle ich meinen Entschluss überdenken und einen Vertrag fürs Schuljahr 1962/63 unterschreiben; zweitens solle ich bitte wieder bei der Theateraufführung der Oberstufe Regie führen, nachdem die letzte solch ein Riesenerfolg gewesen sei. Ich lehnte in beiden Fällen ab, allerdings nicht ohne gemischte Gefühle.
    »Wenn es um Ihr Buch geht, können Sie den ganzen Sommer daran arbeiten«, lockte sie.
    »Das wäre nicht lange genug«, sagte ich, obwohl mir The Murder Place zu diesem Zeitpunkt scheißegal war.
    »Sadie Dunhill sagt, dass Sie nicht glaubt, dass Ihnen noch etwas an diesem Roman liegt.«
    Das war eine Erkenntnis, die Sadie mir nicht mitgeteilt hatte. Sie traf mich hart, aber ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. »Ellen, Sadie weiß nicht alles.«
    »Dann die Theateraufführung. Übernehmen Sie wenigstens die Regie. Solange darin keine Nacktszenen vorkommen, befürworte ich jedes Stück, das Sie aussuchen. Bei der jetzigen Zusammensetzung des Schulausschusses und angesichts der Tatsache, dass ich selbst nur einen Zweijahresvertrag als Direktorin habe, ist das ein mächtig großes Zugeständnis. Sie können die Aufführung Vince Knowles widmen, wenn Sie möchten.«
    »Dem Gedenken an Vince ist bereits eine Footballsaison gewidmet worden, Ellie. Das reicht, glaube ich.«
    Sie zog sich geschlagen zurück.
    Die zweite Bitte kam von Mike Coslaw, der im Juni seinen Abschluss machen würde und mir erzählte, dass er auf dem Col lege Schauspielerei als Hauptfach belegen wolle. »Aber ich möchte wirklich noch mal hier spielen. Unter Ihrer Regie, Mr. Amberson. Weil Sie mir den Weg gewiesen haben.«
    Im Gegensatz zu Ellen Dockerty akzeptierte er meine Ausrede mit dem Fake-Roman, ohne sie zu hinterfragen, was bewirkte, dass ich mich schlecht fühlte. Sogar schrecklich. Für einen Menschen, der ungern log – der erlebt hatte, wie seine Ehe an all den Lügen zerbrochen war, die er von seiner Ich-kann-jederzeit-damit-aufhören-Frau gehört hatte –, erzählte ich jetzt einen ganzen Stall voll Lügen, wie wir in meiner Zeit in Jodie sagten.
    Ich begleitete Mike zum Schülerparkplatz hinaus, auf dem sein ganzer Stolz geparkt stand (ein alter viertüriger Buick mit Seitenschwellern), und fragte ihn, wie sein Arm sich ohne den Gipsverband anfühle. Er sagte, der Arm sei wieder ganz in Ordnung, und er werde das Footballtraining im kommenden Sommer bestimmt mitmachen können. »Allerdings würd’s mir nicht das Herz brechen, wenn ich nicht ins Team käme«, sagte er. »Dann könnte ich mich neben dem Studium vielleicht einer Theatergruppe anschließen. Ich möchte alles lernen: Bühnenbild, Lichtregie, sogar Kostümentwurf.« Er lachte. »Die Leute fangen schon an, mich Homo zu nennen.«
    »Konzentrier dich auf Football, gute Noten und darauf, dass du im ersten Semester nicht zu viel Heimweh hast«, sagte ich. »Bitte. Lass dich nicht gehen.«
    Er antwortete mit zombiehafter Frankensteinstimme: »Ja … Meister.«
    »Wie geht’s Bobbi Jill?«
    »Besser«, sagte er. »Da ist sie.«
    Bobbi Jill wartete neben Mikes Buick. Sie winkte ihm zu, dann sah sie mich und wandte sich sofort ab, als gäbe es auf dem leeren Footballfeld und in dem Hügelland dahinter etwas Interessantes zu sehen. Es war eine Reaktion, an die sich alle in der Schule gewöhnt hatten. Die Unfallnarbe zog sich als breiter, roter Streifen über die linke Gesichtshälfte. Sie versuchte, sie mit Make-up zu überdecken, aber das machte sie nur noch auffälliger.
    Mike fuhr fort. »Ich sage ihr, sie soll das mit dem Puder lassen, weil sie damit wie eine Reklame für Soames’ Bestattungen aussieht, aber sie hört nicht auf mich. Ich sage ihr auch, dass ich nicht aus Mitleid mit ihr gehe – oder damit sie nicht wieder Pillen schluckt. Sie sagt, sie glaubt mir, und

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