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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Gartengrundstück. Dort war ein 57er oder 58er Chevy Biscayne neben einer Erdgaspumpstation zu sehen. Auf einem Dreibein stand eine Grillschale, dann kam die Rückseite eines großen, dunkelbraunen Hauses. Das Haus des Generals.
    Ich sah zu Boden und bemerkte eine frische Schleifspur im Staub. An ihrem Ende stand eine Mülltonne. Ich hatte nicht gesehen, wie Lee die Tonne bewegt hatte, aber ich wusste, dass er es gewesen war. Am Abend des Zehnten wollte er den Gewehrlauf darauf ruhen lassen.
    8
    Am Montag, dem 25. März, kam Oswald mit einem langen, in braunes Papier eingeschlagenen Paket die Neely Street entlang. Durch einen winzigen Vorhangspalt konnte ich die in großen, roten Lettern aufgestempelten Wörter EINSCHREIBEN und VERSICHERT lesen. Lee wirkte zum ersten Mal gehetzt und nervös; er sah sich sogar um, statt nur das unheimliche Mobiliar tief im Inneren seines Kopfes zu betrachten. Ich wusste, was dieses Paket enthielt: ein 6,5-mm-Gewehr der Marke Carcano – auch als Mannlicher-Carcano bekannt – mit Zielfernrohr, das er bei Klein’s Sporting Goods in Chicago bestellt hatte. Fünf Minuten nachdem er die Außentreppe in den ersten Stock hinaufgestiegen war, stand das Gewehr, mit dem Lee die Geschichte verändern würde, in einem Kleiderschrank über meinem Kopf. Die berühmten Fotos von Lee mit seinem Gewehr machte Marina sechs Tage später vor meinem Wohnzimmerfenster, aber davon war ich nicht Zeuge. Es war ein Sonntag, an dem ich in Jodie war. Als der 10. April heranrückte, waren die Wochenenden mit Sadie die wichtigsten, die liebsten Dinge in meinem Leben geworden.
    9
    Ich wachte mit einem Ruck auf und hörte jemand halblaut murmeln: »Noch nicht zu spät.« Dann merkte ich, dass ich das gewesen war, und hielt den Mund.
    Sadie protestierte undeutlich brummelnd und drehte sich im Bett um. Das vertraute Quietschen der Sprungfedern rief mir Ort und Zeit ins Gedächtnis zurück: Candlewood Bungalows, 5. April 1963. Ich tastete nach meiner Armbanduhr auf dem Nachttisch und las die Leuchtziffern ab. Es war Viertel nach zwei – also hatten wir bereits den 6. April.
    Noch nicht zu spät.
    Wofür? Für einen Rückzieher? Dafür, die Finger von dieser schlimmen Sache zu lassen? Der Gedanke an einen Rückzieher war weiß Gott verlockend. Wenn ich weitermachte und die Sache schiefging, konnte dies meine letzte Nacht mit Sadie sein. Für immer.
    Selbst wenn du ihn erschießen musst, brauchst du es nicht sofort zu tun.
    Wohl wahr. Nach dem Anschlag auf den General würde Oswald für einige Zeit nach New Orleans umziehen – in ein weiteres beschissenes Haus, das ich schon besichtigt hatte –, aber erst nach zwei Wochen. Also hatte ich reichlich Zeit, ihn zu erledigen. Aber ich spürte, dass es ein Fehler wäre, damit zu lange zu warten. Ich könnte hundert Gründe finden, noch länger zu warten. Der beste lag nackt neben mir in diesem Bett: lang, schön und geschmeidig glatt. Vielleicht war sie nur eine weitere Falle, die die unerbittliche Vergangenheit mir gestellt hatte, aber das spielte keine Rolle, denn ich liebte sie. Und ich konnte mir ein Szenario vorstellen – nur allzu deutlich –, in dem ich nach dem Mord an Oswald flüchten musste. Wohin flüchten? Natürlich zurück nach Maine. In der Hoffnung, dass ich meinen Vorsprung vor der Polizei lange genug halten konnte, um den Kaninchenbau zu erreichen und in eine Zukunft zu entkommen, in der Sadie Dunhill … nun … ungefähr achtzig sein würde. Wenn sie überhaupt noch lebte. Wenn sie weiterqualmte wie bisher, würde das einem Hauptgewinn im Lotto entsprechen.
    Ich stand auf und trat ans Fenster. An diesem Wochenende im Vorfrühling waren nur wenige der Bungalows belegt. Vor einem stand ein schlammbespritzter Pick-up mit einem Anhänger voller landwirtschaftlicher Geräte. Vor einem anderen ein Motorrad Marke Indian mit Beiwagen. Dazu ein paar Kombis. Und ein zweifarbig lackierter Plymouth Fury. Der Mond verschwand immer wieder hinter dünnen Wolken, und in diesem ungewissen Licht war unmöglich zu erkennen, welche Farbe die untere Wagenhälfte hatte, aber ich glaubte ohnehin mit einiger Sicherheit, sie zu kennen.
    Ich zog Hose, Unterhemd und Schuhe an. Dann verließ ich leise den Bungalow und überquerte den Innenhof. Auf meiner bettwarmen Haut war die Nachtluft empfindlich kalt, aber ich achtete kaum darauf. Ja, der Wagen war ein Fury, und ja, er war weiß-rot, aber er kam nicht aus Maine oder Arkansas; er war in Oklahoma zugelassen, und der Aufkleber

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