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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gelesen?«, fragte Lee.
    »Ich habe den ganzen Vormittag nichts als Telegramme und Mitteilungen gesehen. Glaub mir, ich bin nur hier, um mal vom Schreibtisch wegzukommen.«
    »Walker hat’s getan«, sagte Lee. »Er hat sich Hargis’ Kreuzzug angeschlossen – möglicherweise ist es auch Walkers Kreuzzug, dem Hargis sich angeschlossen hat. Das kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls dieses Scheißunternehmen Midnight Ride. Diese beiden Schwachköpfe wollen den gesamten Süden bereisen und den Leuten erzählen, dass die NAACP eine kommunistische Tarnorganisation ist. Damit werfen sie die Integration und das Stimmrecht um zwanzig Jahre zurück.«
    »Klar! Und schüren Hass. Wie lange es wohl dauert, bis die Massaker beginnen?«
    »Oder jemand Ralph Abernathy und Dr. King erschießt!«
    » Natürlich wird King erschossen«, sagte de Mohrenschildt fast lachend. Ich stand da, drückte mir den Kopfhörer auf die Ohren und spürte, wie mir der Schweiß übers Gesicht lief. Das hier war in der Tat vermintes Gelände – haarscharf am Rand einer Verschwörung. »Das ist bloß eine Frage der Zeit.«
    Einer von ihnen benutzte den Flaschenöffner, um ein weiteres mexikanisches Bier zu öffnen, und Lee sagte: »Irgendjemand sollte die beiden Scheißkerle stoppen.«
    »Du liegst nicht ganz richtig, wenn du unseren General Walker einen Schwachkopf nennst«, sagte de Mohrenschildt in belehrendem Ton. »Hargis, ja, okay. Hargis ist eine Witzfigur. Wie ich höre, ist er – wie solche Leute so oft – ein Mann mit verqueren sexuellen Trieben, der sich gern morgens mit einer Kleinmädchen fotze und nachmittags mit einem Kleinjungenarsch vergnügt.«
    »Mann, das ist widerlich! « Beim letzten Wort überschlug sich Lees Stimme, als wäre er im Stimmbruch. Er lachte darüber.
    »Aber Walker, ah, der ist ganz ein anderes Kaliber. Der gehört zu den führenden Leuten der John Birch Society …«
    »Diese antisemitischen Faschisten!«
    »… und ich kann mir vorstellen, dass er sie eines nicht allzu fernen Tages führen wird. Wenn er erst das Vertrauen und die Zustimmung der anderen rechtsextremen Spinnergruppen gewon nen hat, kandidiert er vielleicht sogar wieder … aber diesmal nicht als Gouverneur von Texas. Ich vermute, dass er ehrgeiziger ist. Der Senat? Vielleicht. Sogar das Weiße Haus?«
    »Das könnte nie passieren.« Aber Lee klang unsicher.
    »Es wird wahrscheinlich nicht passieren «, verbesserte de Mohrenschildt ihn. »Aber unterschätz nie die Bereitschaft der amerikanischen Bourgeoisie, sich für Faschismus im Gewand des Populismus zu begeistern. Oder die Macht des Fernsehens. Ohne das Fernsehen hätte Kennedy niemals gegen Nixon gewonnen.«
    »Kennedy und seine eiserne Faust«, sagte Lee. Seine Zustimmung zum amtierenden Präsidenten schien abgeflaut zu sein. »Er wird niemals Ruhe geben, solange Fidel in Batistas Klo scheißt.«
    »Und unterschätz nie die panische Angst des weißen Ame rikas vor einer Gesellschaft, in der die Gleichberechtigung der Rassen allgemeines Gesetz geworden ist.«
    »Nigger, Nigger, Nigger, Bohnenfresser, Bohnenfresser, Bohnenfresser!«, stieß Lee mit einer Wut hervor, die an Seelenqual grenzte. »Das ist alles, was ich in der Arbeit höre.«
    »Das kann ich mir denken. Wenn die Morning News von dem großen Staat Texas spricht, meint sie den Hass -Staat Texas. Und die Leute hören ihr zu. Für einen Mann wie Walker – einen Kriegshelden wie Walker – ist ein Tölpel wie Hargis nur ein Sprungbrett. Wie Hindenburg ein Sprungbrett für Hitler war. Mit den richtigen PR -Leuten, die seine Kanten glätten, kann Walker es weit bringen. Weißt du, was ich glaube? Dass der Mann, der General Edwin ›Rassistisches Amerika‹ Walker beseitigt, der Gesellschaft einen Gefallen täte.«
    Ich sank schwer auf den Stuhl neben dem Tisch, auf dem das kleine Bandgerät mit seinen sich drehenden Spulen stand.
    »Wenn du wirklich glaubst …«, begann Lee, und dann folgte ein lautes Summen, das mich dazu brachte, den Kopfhörer herunterzureißen. Weil in der Wohnung über mir keine besorgten oder empörten Ausrufe, keine eiligen Schritte zu hören waren – außer die beiden verstanden sich sehr gut auf sofortige Tarnung –, konnte ich annehmen, dass sie die Wanze in der Lampe nicht entdeckt hatten. Ich setzte den Kopfhörer wieder auf. Nichts. Ich versuchte es mit dem Richtmikrofon, indem ich die Tupperware-Schale auf einem Stuhl stehend an die Decke hielt. Ich konnte zwar hören, dass Lee redete und de

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