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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sie liebte (es war nett, etwas zu sagen, was die volle Wahrheit war), erkundigte mich nach Deke, wünschte ihr einen schönen Nachmittag und legte auf. Aber ich machte kein Nickerchen. Ich schnappte mir die Autoschlüssel, nahm meine Aktentasche mit und fuhr in die Stadt. Meine große Hoffnung war, dass ich etwas in der Aktentasche haben würde, wenn ich zurückkehrte.
    6
    Ich fuhr langsam und vorsichtig – wie eine alte Dame –, aber mein Knie tat trotzdem ziemlich weh, als ich die First Corn Bank betrat und den Schließfachschlüssel vorlegte.
    Als mein Banker aus seinem Büro kam, fiel mir sein Name sofort ein: Richard Link. Er musterte mich besorgt, als ich ihm entgegenhinkte. »Was ist mit Ihnen passiert, Mr. Amberson?«
    »Verkehrsunfall.« Hoffentlich hatte er die kleine Meldung im Polizeibericht der Morning News übersehen oder vergessen. Ich hatte sie nicht selbst gelesen, aber es hatte eine gegeben: Mr. George Amberson aus Jodie, zusammengeschlagen und ausgeraubt, bewusstlos aufgefunden, ins Parkland Memorial Hospital gebracht. »Aber mir geht’s schon viel besser.«
    »Immerhin das ist erfreulich.«
    Die Schließfächer befanden sich im Keller. Ich bewältigte die Treppe auf einem Bein hüpfend. Wir benutzten unsere Schlüssel, und Link trug mir die Stahlkassette in eine der Kabinen. Er stellte sie auf die winzige Ablagefläche, die eben groß genug für sie war, und zeigte auf den Klingelknopf an der Wand.
    »Klingeln Sie einfach nach Melvin, wenn Sie fertig sind. Er wird Ihnen dann behilflich sein.«
    Ich bedankte mich und zog den Türvorhang der Kabine zu, nachdem er gegangen war. Wir hatten die Kassette aufgeschlossen, aber ihr Deckel war noch zu. Mein Herz hämmerte, während ich sie anstarrte. Sie enthielt John F. Kennedys Zukunft.
    Ich öffnete sie. Obenauf lagen ein Bündel Geldscheine und alles mögliche Zeug aus meiner Wohnung in der Neely Street, auch mein Scheckbuch von der First Corn Bank. Darunter kam ein von zwei Gummibändern zusammengehaltenes, dickes Manuskript zum Vorschein. Auf der Titelseite stand THE MURDER PLACE . Der Autor war nicht genannt, aber es war mein Werk. Darunter lag ein blaues Notizbuch: das Wort des Al. Sobald ich es in den Händen hielt, erfüllte mich die schreckliche Gewissheit, die Seiten würden leer sein, wenn ich es aufschlug. Der Gelbe-Karte-Mann würde die Aufzeichnungen gelöscht haben.
    Bitte nicht.
    Ich schlug es auf. Gleich auf der ersten Seite erwiderte ein Foto meinen Blick. Ein schmales, fast gut aussehendes Gesicht. Die Lippen zu einem Lächeln verzogen, das ich nur allzu gut kannte – hatte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen? Ein Lächeln, das Ich weiß, was läuft, und du weißt es nicht, du armer Trottel hieß .
    Lee Harvey Oswald. Das erbärmliche verwahrloste Kind, das die Weltgeschichte verändern würde.
    7
    Erinnerungen stürmten auf mich ein , während ich nach Atem ringend in der kleinen Kabine saß.
    Ivy und Rosette in der Mercedes Street. Nachname Templeton, genau wie Al.
    Die Springseilmädchen: My old man drives a sub-ma-rine.
    Silent Mike (Holy Mike) von Satellite Electronics.
    George de Mohrenschildt, der sich das Hemd wie Superman aufriss.
    Billy James Hargis und General Edwin A. Walker.
    Marina Oswald, die schöne Geisel des Attentäters, die im Haus West Neely Street 214 vor meiner Tür stand: Bitte entschuldigen, haben Sie mein musch gesehen?
    Das Texas School Book Depository, das Schulbuchlager.
    Fünfter Stock, Südostfenster. Das mit dem besten Blick auf Dealey Plaza und Elm Street, wo sie eine Kurve in Richtung Dreifachunterführung machte.
    Ich begann zu zittern. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und umklammerte meine Oberarme mit beiden Händen. Das verursachte im linken – dem, der von einem Schlag mit dem filzumwickelten Rohr gebrochen war – neue Schmerzen, aber sie machten mir nichts aus. Ich begrüßte sie sogar. Sie stellten eine Verbindung zur Realität her.
    Als das Zittern endlich aufhörte, verstaute ich das unfertige Romanmanuskript, das kostbare blaue Notizbuch und alles übrige Zeug in meiner Aktentasche. Ich streckte eine Hand nach der Klingel aus, die Melvin rufen würde, dann sah ich sicherheitshalber ganz hinten in der Kassette nach. Dort fand ich zwei weitere Gegenstände. Einer war der billige Ehering aus dem Leihhaus, den ich gekauft hatte, damit meine Story bei Satellite Electronics glaubwürdiger klang. Der andere war die rote Babyrassel, die dem kleinen Mädchen der Oswalds (June, nicht

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