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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schweigend, und ich dachte an den Auftrag, den ich auszuführen hatte. Auch wenn ich nicht wusste, wo Lee übernachtete, wusste ich, wo sein Gewehr war: in eine Decke gewickelt in Ruth Paines Garage. Was, wenn ich einfach hinfuhr und es klaute? Ich würde vielleicht nicht einmal einbrechen müssen. Hier war das Land des Einst, in dem Provinzler ihre Häuser – von ihren Garagen ganz zu schweigen – oft nicht abschlossen.
    Aber was war, wenn Al danebenlag? Schließlich hatte er sich schon in Bezug auf das Waffenversteck vor dem Anschlag auf Walker geirrt. Selbst wenn die Waffe dort war …
    »Woran denken Sie, mein Sohn?«, fragte Mr. Kenopensky. »Sie sehn ganz elend aus. Hoffentlich kein Frauenkummer?«
    »Nein.« Zumindest momentan nicht. »Erteilen Sie Ratschläge?«
    »Ja, Sir, das tu ich. Das ist das Einzige, wofür alte Käuze noch taugen, wenn sie kein Lasso mehr schwingen oder Vieh treiben können.«
    »Nehmen wir mal an, Sie würden einen Mann kennen, der ein Verbrechen vorhat. Der absolut dazu entschlossen ist. Würde er es noch mal versuchen, wenn man ihn zunächst von seinem Vorhaben abbrächte – zum Beispiel indem man es ihm ausredet –, oder wäre die Gefahr damit gebannt?«
    »Schwer zu sagen. Denken Sie vielleicht, der Kerl, der Ihrer jungen Dame das Gesicht zerschnitten hat, könnte zurückkommen und ihr den Rest geben wollen?«
    »Irgendwas in der Art.«
    »Verrückter Kerl.« Es war keine Frage.
    »Ja.«
    »Vernünftige Männer verstehen oft einen Wink«, sagte Mr. Kenopensky. »Verrückte Kerle tun das selten. Das hab ich in meiner Cowboyzeit, bevor es Strom und Telefon gab, oft erlebt. Wenn man sie warnt, sie sollen wegbleiben, kommen sie wieder. Wenn man sie verprügelt, greifen sie das nächste Mal aus dem Hinterhalt an – erst dich, dann denjenigen, den sie wirklich meinen. Locht man sie ein, warten sie auf den Tag, an dem sie wieder rauskommen. Am sichersten ist es, Verrückte für lange Zeit ins Zuchthaus zu sperren. Oder sie umzubringen.«
    »Genau das denke ich auch.«
    »Lassen Sie nicht zu, dass er zerstört, was sie sich von ihrem hübschen Gesicht bewahrt hat, falls er das vorhat. Wenn Sie sich so viel aus ihr machen, wie’s den Anschein hat, tragen Sie Verantwortung.«
    Das tat ich allerdings, obwohl Clayton nicht länger das Problem war. Ich kehrte in mein kleines, bausteinförmiges Appartement zu rück, machte mir starken Kaffee und setzte mich mit einem Schreib block an den Küchentisch. Mein Plan stand mir jetzt etwas deutlicher vor Augen, und ich wollte anfangen, die Details auszuarbeiten.
    Stattdessen kritzelte ich irgendwas auf den Block. Dann schlief ich ein.
    Als ich aufwachte, war es fast Mitternacht, und meine Wange tat mir dort weh, wo sie auf der karierten Wachstuchdecke des Küchentischs gelegen hatte. Ich sah mir an, was ich auf den Block gekritzelt hatte. Ich wusste nicht, ob ich das gezeichnet hatte, bevor ich eingenickt war, oder zwischendurch lange genug aufgewacht war und diesen Gegenstand unbewusst hingekritzelt hatte.
    Es war eine Schusswaffe. Kein Gewehr von Mannlicher-Carcano, sondern ein Revolver. Mein Revolver, den ich unter die Verandastufen des Hauses West Neely Street 214 geworfen hatte. Vermutlich lag er immer noch dort. Das hoffte ich jedenfalls.
    Ich würde ihn brauchen.
    11
    19. 11. 63 (Dienstag)
    Sadie rief vormittags an und sagte, Deke gehe es etwas besser, aber sie werde darauf bestehen, dass er auch am Mittwoch zu Hause bleibe. »Sonst versucht er doch nur, in der Bibliothek zu sein, und erleidet einen Rückfall. Aber ich packe, bevor ich morgen früh in die Schule fahre, und bin gleich nach der sechsten Stunde zu dir unterwegs.«
    Die sechste Stunde dauerte bis zehn nach eins. Das bedeutete, dass ich das Eden Fallows bis spätestens um vier Uhr verlassen musste. Hätte ich nur gewusst, mit welchem Ziel! »Ich freue mich schon auf unser Wiedersehen.«
    »Du redest ganz steif und komisch. Hast du wieder deine Kopfschmerzen?«
    »Ein bisschen«, sagte ich. Es stimmte sogar.
    »Dann leg dich hin, mit einem feuchten Waschlappen über den Augen.«
    »Ja, das tue ich.« In Wirklichkeit dachte ich gar nicht daran.
    »Ist dir irgendwas eingefallen?«
    Diese Frage hätte ich bejahen können. Mir war eingefallen, dass es nicht genügen würde, Lee das Gewehr zu stehlen. Und ihn im Haus der Paines zu erschießen war eine schlechte Alternative. Und das nicht nur, weil ich vermutlich geschnappt werden würde. Zusammen mit denen von Ruth Paine gab es in

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