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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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WIR LIEBEN DICH JACKIE geschrieben hatte, und ein anderes, auf dem an gleicher Stelle VERSCHWINDE AUS TEXAS DU LINKE RATTE stand. Der Bus ruckelte und schwankte. An den Haltestellen standen immer größere Gruppen von Leuten; sie reckten die Fäuste, wenn unser überfüllter Bus vorbeifuhr, ohne langsamer zu werden.
    Um Viertel nach zehn erreichten wir den Harry Hines Boulevard und fuhren an einem Wegweiser zum Love Field Airport vorbei. Der Unfall ereignete sich drei Minuten später. Obwohl ich gehofft hatte, dass er ausbleiben würde, hatte ich ihn andererseits auch erwartet, und als der Muldenkipper die rote Ampel an der Kreuzung von Harry Hines Boulevard und Inwood Avenue überfuhr, war ich zumindest halbwegs darauf gefasst. Ein ähnliches Fahrzeug hatte ich auf meiner Fahrt zum Longview-Friedhof in Derry gesehen.
    Ich legte Sadie eine Hand in den Nacken und drückte ihren Kopf nach unten. »Runter!«
    Im nächsten Augenblick knallten wir gegen die Trennwand zwischen Fahrersitz und Fahrgastbereich. Glas zersplitterte. Metall kreischte. Die Stehenden schossen in einem kreischenden Knäuel aus schlenkernden Gliedmaßen, Handtaschen und verlorenen Sonntagshüten nach vorn. Der weiße Arbeiter, der heul doch gesagt hatte, hing über dem Ticketautomaten im vorderen Teil des Mittelgangs. Die große Schwarze war einfach unter der Menschenlawine verschwunden.
    Sadie blutete aus der Nase, und unter ihrem rechten Auge ging eine Beule auf wie Hefeteig. Der Fahrer war seitlich über dem Lenk rad zusammengesackt. Die breite Frontscheibe war zersplittert, und der Blick nach vorn wurde durch Stahl mit Rostflecken blo ckiert. Ich konnte IEFBAUAMT DALLA lesen. Der Gestank des heißen Asphalts, den der Kipper transportiert hatte, erfüllte die Luft.
    Ich drehte Sadie zu mir her. »Alles in Ordnung? Bist du klar im Kopf?«
    »Mir fehlt nichts, bin nur durchgeschüttelt. Ohne deine Warnung wär’s mir schlecht ergangen.«
    Aus dem Menschenknäuel im vorderen Teil des Busses kamen Stöhnlaute und Schreie. Ein Mann, der anscheinend einen gebrochenen Arm hatte, befreite sich aus dem Gewirr und rüttelte an der Schulter des Fahrers, der daraufhin von seinem Sitz kippte. Mitten in seiner Stirn steckte ein dolchartiger Glassplitter.
    »Gottverdammt!«, sagte der Mann mit dem gebrochenen Arm. »Ich glaub, der Mann ist echt tot.«
    Sadie erreichte den Kerl, der über dem Ticketautomaten hing, und half ihm auf den Sitz, den er uns abgetreten hatte. Er war kreidebleich und stöhnte laut. Ich vermutete, dass er mit den Kronjuwelen voraus an den Apparat geknallt war; er hatte genau die richtige Höhe. Sein schwarzer Freund half mir, die Haushälterin auf die Beine zu stellen, aber wenn sie nicht bei vollem Bewusstsein und handlungsfähig gewesen wäre, hätten wir vermutlich nicht viel ausrichten können. Ich taxierte ihr Lebendgewicht auf drei Zentner. Sie hatte eine stark blutende Platzwunde an der Schläfe, und ich nahm an, dass sie diese weiße Uniform das letzte Mal anhatte. Ich fragte sie, ob sonst alles in Ordnung mit ihr sei.
    »Ich denk schon, aber ich hab ’nen kräftigen Schlag über den Schädel abgekriegt. Himmel!«
    Hinter uns befand sich der Bus in hellem Aufruhr. Bald würde daraus eine Massenpanik werden. Ich stellte mich vor Sadie und ließ sie ihre Arme um meine Taille legen. Mit meinem lädierten Knie hätte eher ich mich an sie klammern sollen, aber Instinkt war Instinkt.
    »Wir müssen die Leute aus dem Bus lassen«, sagte ich zu dem schwarzen Arbeiter. »Ziehen Sie den Hebel.«
    Er versuchte es, aber der Hebel ließ sich nicht bewegen. »Verklemmt!«
    Das hielt ich für Unsinn; ich war überzeugt, dass die Vergangenheit die Türen zuhielt. Ich konnte ihm auch nicht helfen, daran zu reißen. Ich hatte nur einen gesunden Arm. Die Haushälterin, deren Kleid jetzt auf einer Seite mit Blut getränkt war, rempelte mich fast um, als sie sich an mir vorbeidrängte. Ich spürte, wie Sadies Griff sich lockerte, aber sie umklammerte mich sofort wieder. Der kleine Hut der Haushälterin saß schief, und die Gaze seines Schleiers war mit Bluttropfen benetzt. Die roten Tropfen waren grotesk dekorativ, wie winzige Stechpalmenbeeren. Die Dame rückte ihren Hut zurecht, dann griff auch sie nach dem verchromten Türhebel. »Ich zähl bis drei, dann ziehn wir an dem Scheißding«, erklärte sie dem schwarzen Arbeiter. »Kann’s losgehn?«
    Er nickte.
    »Eins … zwei … drei! «
    Die beiden rissen daran … oder vielmehr riss sie daran

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