Der Anschlag - King, S: Anschlag
– mit solcher Gewalt, dass ihr Kleid unter einem der Ärmel aufplatzte, aber die Türen klappten auf. Hinter uns erklang schwacher Jubel.
»Vielen Dank, dass …«, begann Sadie, aber ich war schon in Bewegung.
»Schnell. Bevor sie uns niedertrampeln. Lass mich nicht los.« Wir waren als Erste aus dem Bus. Ich drehte Sadie in Richtung Dallas. »Komm jetzt.«
»Jake, diese Leute brauchen Hilfe!«
»Und die ist sicher schon unterwegs. Dreh dich nicht um. Sieh nach vorn, denn von dort kommt der nächste Ärger.«
»Was für Ärger? Wie viel noch?«
»So viel, wie die Vergangenheit gegen uns aufbieten kann«, sagte ich.
7
Wir brauchten zwanzig Minuten, um von der Kreuzung aus, an der unser Bus Nummer drei verunglückt war, vier Straßen weit zu kommen. Ich konnte spüren, wie mein Knie anschwoll. Es pochte bei jedem Herzschlag. Schließlich kamen wir zu einer Bank, und Sadie forderte mich auf, mich zu setzen.
»Nein, wir müssen weiter.«
»Hinsetzen, Mister.« Sie schubste mich unerwartet, sodass ich auf die Bank plumpste. An ihrer Rückenlehne wurde ein hiesiges Beerdigungsinstitut beworben. Sadie nickte knapp wie eine Frau, die eine unangenehme Aufgabe erledigt hatte, dann trat sie auf den Harry Hines Boulevard hinaus, öffnete ihre Umhängetasche und wühlte darin herum. Das schmerzhafte Pochen in meinem Knie hörte vorübergehend auf, als das Herz mir bis zum Hals schlug und dann stehen zu bleiben schien.
Ein Wagen wich ihr hupend aus. Er verfehlte sie um weniger als Armeslänge Der Fahrer drohte ihr beim Weiterfahren mit der Faust und zeigte ihr anschließend den Stinkefinger. Als ich ihr nachrief, sie solle zurückkommen, sah sie nicht einmal zu mir herüber. Während Autos an ihr vorbeiflitzten, zog sie ihre Geldbörse heraus und blies sich die Haare aus dem vernarbten Gesicht. Sie wirkte so kühl wie ein Frühlingsmorgen. Als sie hatte, was sie wollte, ließ sie die Geldbörse in die Tasche zurückfallen und hielt einen Dollarschein hoch über ihren Kopf. So sah sie aus wie eine Cheerleaderin, die den Beifall für eine Highschool-Mannschaft dirigierte.
»Fünfzig Dollar!«, rief sie laut. »Fünfzig Dollar für eine Fahrt nach Dallas! Main Street! Main Street! Muss Kennedy sehen! Fünfzig Dollar!«
Das klappt nie, dachte ich. Damit erreicht sie nur, dass die unerbittliche Vergangenheit sie überfährt oder …
Ein verrosteter Studebaker hielt mit kreischenden Bremsen dicht vor ihr. Der Motor rüttelte und klopfte. Wo einer der Scheinwerfer hätte sitzen sollen, gähnte ein leeres Loch. Ein Mann in Trägerhemd und sackartiger Hose stieg aus. Auf dem Kopf (und bis zu den Ohren hinuntergezogen) hatte er einen grünen Cowboyhut mit einer Indianerfeder im Hutband. Er grinste breit. Das Grinsen ließ erkennen, dass ihm ein halbes Dutzend Zähne fehlten. Nach dem ersten Blick stand für mich fest: Hier ist Ärger im Anmarsch.
»Lady, Sie sind verrückt«, sagte der Studebaker-Cowboy.
»Wollen Sie fünfzig Dollar oder nicht? Nur dafür, dass Sie uns nach Dallas fahren.«
Der Mann betrachtete den Schein mit zusammengekniffenen Augen, ohne sich mehr als Sadie um die Autos zu kümmern, die hupend um sie herumfuhren. Er nahm seinen Hut ab, klatschte ihn gegen die Stoffhose, die an seinen dürren Hüften hing, setzte ihn wieder auf und zog ihn tief herunter, bis die Krempe auf seinen Segelohren aufsaß. »Lady, das sind keine fünfzig, das ist ’n Zehner.«
»Den Rest hab ich in meiner Geldbörse.«
»Warum nehm ich sie mir dann nicht einfach?« Er griff nach ihrer großen Tasche und bekam einen der Trageriemen zu fassen. Ich trat auf die Fahrbahn, aber ich fürchtete, dass er Sadie die Tasche entreißen würde, bevor ich sie erreichen konnte. Und wenn ich sie erreichte, würde er mich vermutlich niederschlagen. Obwohl er so dürr war, wog er mehr als ich. Und er hatte zwei gesunde Arme.
Sadie hielt eisern fest. In entgegengesetzte Richtungen gezerrt, klaffte die Tasche auf wie ein schmerzverzerrter Mund. Sadie griff mit der freien Hand hinein und zog ein Fleischermesser heraus, das mir bekannt vorkam. Sie stieß damit zu und schlitzte dem Kerl den Unterarm auf. Der Schnitt begann über dem Handgelenk und endete in der schmuddeligen Armbeuge. Er schrie vor Schmerz und Überraschung auf, ließ den Trageriemen los, wich einen Schritt zurück und starrte sie an. »Du verrückte Schlampe, du hast mich geschnitten!«
Er wollte mit einem Sprung zur offenen Tür seines Wagens, der immer noch dabei war, sich
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