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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Schmerz in meinem Knie war zu einem dumpfen Pochen abgeflaut. Gott segne Goody’s Powder.
    Sadie kam zu mir. »Jake, vielleicht sollten wir …«
    »Da kommt ein Dreier«, sagte die Haushälterin und stand auf. Sie war eine eindrucksvolle Lady: schwarz wie Ebenholz, eine halbe Handbreit größer als Sadie, mit glänzend schwarzen, glatten Haaren. »Ju-huu, ich such mir ’nen Platz gleich auf der Dealey Plaza. Hab Samwichs dabei. Und wird er mich hörn, wenn ich schrei?«
    »Ich wette, das tut er«, sagte ich.
    Sie lachte. »Das will ich hoffn! Er und Jackie auch!«
    Der Bus war voll, aber die mit uns Wartenden zwängten sich trotzdem hinein. Sadie und ich waren die Letzten, und der Fahrer, der so gestresst aussah wie ein Börsenmakler am Schwarzen Freitag, streckte uns abwehrend die Handfläche entgegen. »Nie mand mehr! Ich bin voll! Mein Bus ist keine Sardinenbüchse! War ten Sie auf den nächsten!«
    Sadie warf mir einen verzweifelten Blick zu, aber bevor ich etwas sagen konnte, mischte die große Schwarze sich zu unseren Gunsten ein. »Ä-äh, lassn Se die rein. Der Mann, der hat ein ka puttes Bein, und die Lady hat ihre eignen Probleme, wie Sie sehn. Außerdem is sie mager und er noch dünner. Lassn Sie die rein, sonst schmeiß ich Sie raus und fahr den Bus selbst. Das kann ich nämlich. Hab’s auf meim Daddy sein Bulldog gelernt.«
    Der Busfahrer sah zu der über ihm aufragenden imposanten Gestalt auf, dann verdrehte er die Augen und winkte uns an Bord. Als ich Münzen für den Ticketautomaten suchte, bedeckte er ihn mit seiner Pranke. »Sparen Sie sich das verdammte Fahrgeld, stellen Sie sich einfach hinter die weiße Linie. Wenn Sie können.« Er schüttelte den Kopf. »Warum sie heute keine zusätzlichen Busse einsetzen, weiß ich auch nicht.« Er riss an dem verchromten Griff. Die Türen vorn und hinten klappten zu. Die Druckluftbremse löste sich zischend, und wir rollten langsam, aber sicher dahin.
    Meine Beschützerin war noch nicht fertig. Sie nahm sich zwei Arbeiter vor, einer schwarz, der andere weiß, die mit Lunchboxen auf dem Schoß hinter dem Fahrer saßen. »Los, steht auf, und lasst diese Lady und den Gentleman sitzn! Könnt ihr nich sehn, dass er ’n schlimmes Bein hat? Und trotzdem will er Kennedy sehn!«
    »Bemühen Sie sich nicht, Ma’am«, sagte ich.
    Sie achtete nicht auf mich. »Na los, steht auf, wo sind eure Maniern?«
    Die beiden standen auf und drängten sich in den schon übervollen Mittelgang. Der schwarze Arbeiter warf der Haushälterin einen bösen Blick zu. »1963, und ich geb dem weißen Mann immer noch meinen Sitzplatz.«
    »Ach, heul doch«, sagte sein weißer Freund.
    Der Schwarze betrachtete stutzend mein Gesicht. Ich weiß nicht, was er dort sah, aber er deutete auf die jetzt freien Plätze. »Setzen Sie sich, bevor Sie zusammenklappen, Jackson.«
    Ich setzte mich ans Fenster. Sadie murmelte ihren Dank und nahm neben mir Platz. Der Bus rumpelte dahin wie ein alter Elefant, der noch galoppieren konnte, wenn man ihm genug Zeit ließ. Die Haushälterin schwebte beschützend über uns, hielt sich an einem Haltegriff fest und wiegte in den Kurven die Hüften. Da gab es einiges zu wiegen. Ich sah wieder auf meine Armbanduhr. Die Zeiger schienen auf zehn Uhr zuzurasen; bald würden sie diese Marke überschreiten.
    Sadie beugte sich so weit zu mir herüber, dass ihre Haare mich an Wange und Hals kitzelten. »Wohin wollen wir – und was tun wir, wenn wir dort hinkommen?«
    Ich wollte mich ihr zuwenden, sah aber stattdessen weiter nach vorn, um Ausschau nach Gefahr zu halten. Wartete auf den nächsten Tiefschlag. Wir waren jetzt auf der West Division Street, die zugleich der Highway 180 war. Bald würden wir in Arlington sein, dem späteren Zuhause von George W. Bushs Texas Rangers. Wenn alles gut ging, würden wir die Stadtgrenze von Dallas um 10.30 Uhr erreichen – zwei Stunden bevor Oswald sein verdammtes italienisches Gewehr durchlud. Versuchte man jedoch, die Vergangenheit zu ändern, ging selten alles gut.
    »Tu einfach, was ich mache«, sagte ich. »Und bleib hellwach.«
    6
    Wir fuhren südlich an Irving vorbei, wo Lees Frau sich gegenwärtig von der erst einen Monat zurückliegenden Geburt ihrer zweiten Tochter erholte. Die Fahrt war heiß und stickig. Die Hälfte der Fahrgäste unseres überfüllten Busses rauchte. Draußen (wo die Luft vermutlich etwas reiner war) waren die Straßen stadteinwärts verstopft. Wir sahen ein Auto, auf dessen Heckscheibe jemand mit Seife

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