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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hundert oder weniger Sekunden Geschichte machen wollte. Auf die Elm Street führten sieben Fenster hinaus: fünf große Bogenfenster in der Mitte, je ein quadratisches Fenster an den Enden. An der Treppe war es im fünften Stock düster, aber durch die Fenster zur Elm Street fiel trübes Licht ein. Wegen des in der Luft hängenden Sägemehls von der Bodenrenovierung wirkten die dort einfallenden Sonnenstrahlen zum Schneiden dick. Der durch das Fenster in der Südostecke einfallende Sonnenstrahl wurde jedoch durch eine Barrikade aus aufgestapelten Bücherkartons blockiert. Das Schützennest lag genau auf der anderen Seite des Raums, auf der Diagonale von Nordwest nach Südost.
    Hinter der Barrikade, im Sonnenlicht, stand ein Mann mit einem Gewehr am Fenster. Er stand leicht gebeugt da und spähte hinaus. Das Fenster war offen. Eine leichte Brise zerzauste sein Haar und spielte mit seinem Hemdkragen. Er hob das Gewehr.
    Ich verfiel in schwerfälligen Trab, schlängelte mich zwischen den Kartonstapeln hindurch und grub in meiner Sakkotasche nach dem Revolver.
    »Lee!«, brüllte ich. »Stopp, du Hundesohn!«
    Er drehte den Kopf zur Seite und starrte mich mit großen Augen und offenem Mund an. Sekundenlang war er nur Lee – der Kerl, der mit June in der Badewanne gespielt und gelacht hatte, der manchmal seine Frau umarmte und ihr zu ihm erhobenes Gesicht küsste –, aber dann verzog er den schmallippigen Mund zu einer affektierten Grimasse, die die oberen Zähne sehen ließ. Dadurch verwandelte er sich in etwas Monströses. Ich bezweifle, dass man mir das glauben wird, aber ich kann es beschwören. Er hörte auf, ein Mensch zu sein, und wurde das dämonische Gespenst, das Amerika ab diesem Tag heimsuchen, seine Macht untergraben und seine guten Absichten verderben würde.
    Wenn ich das zuließe.
    Der Lärm von der Straße herauf setzte wieder ein: Tausende von Menschen, die applaudierten und jubelten und sich die Lunge aus dem Leib schrien. Ich hörte sie, und Lee hörte sie auch. Er wusste, was der Lärm bedeutete: jetzt oder nie. Er drehte sich zum Fenster um und zog den Gewehrkolben in die rechte Schulter ein.
    Ich hatte den Revolver, das gleiche Modell, mit dem ich Frank Dunning erschossen hatte. Nicht nur die gleiche Ausführung; in diesem Augenblick war es dieselbe Waffe. Das dachte ich damals, und das denke ich noch heute. Der Hammer wollte sich im Taschenfutter verhaken, aber ich riss den .38er heraus und hörte dabei Stoff zerreißen.
    Ich drückte ab. Mein Schuss lag hoch und riss nur Holzsplitter aus dem oberen Fensterrahmen, aber das genügte, um John Kennedy das Leben zu retten. Oswald, den der Knall erschreckte, verriss sein Mannlicher-Carcano, und das 10,4 Gramm schwere Geschoss ging ebenfalls hoch und ließ eine Fensterscheibe des Gerichtsgebäudes zersplittern.
    Unter uns waren Schreckensschreie und verwirrte Rufe zu hören. Oswald, dessen Gesicht eine Maske aus Wut, Hass und Enttäuschung war, wandte sich wieder mir zu. Er hob das Gewehr wieder, aber diesmal würde er nicht auf den Präsidenten der Vereinigten Staaten zielen. Er betätigte den Kammerstängel – ratsch-ratsch –, und ich schoss ein zweites Mal auf ihn. Obwohl ich den Raum inzwischen zu drei Vierteln durchquert und die Entfernung auf weniger als zehn Meter verringert hatte, verfehlte ich ihn wieder. Ich sah, dass sein Hemd seitlich aufgeschlitzt wurde, aber das war alles.
    Meine Krücke blieb an einem Bücherstapel hängen. Ich torkelte nach links und ruderte mit der rechten Hand, um das Gleichgewicht zu bewahren, aber das war aussichtslos. Ich dachte daran, wie Sadie mir an dem Tag, an dem wir uns kennengelernt hatten, buchstäblich in die Arme gefallen war. Ich wusste, was passieren würde. Die Geschichte wiederholte sich nicht, aber sie harmonisierte, und was dabei herauskam, war meistens die Musik des Teufels . Diesmal war ich derjenige, der stolperte, und das war der entscheidende Unterschied.
    Ich konnte sie nicht länger auf der Treppe hören … aber nun kamen ihre raschen Schritte näher.
    »Sadie, runter!«, rief ich, aber das ging im Bellen von Oswalds Gewehr unter.
    Ich hörte, wie die Kugel über mich hinwegsauste. Ich hörte Sadie aufschreien.
    Dann fielen weitere Schüsse, diesmal von draußen. Der offene Wagen des Präsidenten raste davon und fuhr in halsbrecherischem Tempo auf die Dreifachunterführung zu, während die beiden Paare, die er beförderte, sich tief geduckt aneinanderklammerten. Aber der Wagen der

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