Der Anschlag - King, S: Anschlag
bandagierte mein Knie. Das linderte die Schmerzen etwas.
»Ich kann Ihnen ein Schmerzmittel geben, wenn diese beiden Beamten nichts dagegen haben.«
Sie hatten nichts dagegen, aber ich wollte nicht. Die wichtigste Stunde meines – und Sadies – Lebens lag unmittelbar vor mir. Ich wollte nicht von einem Betäubungsmittel benebelt sein, wenn sie kam.
»Haben Sie zufällig Goody’s Powder?«
Perry rümpfte die Nase wie gegen einen üblen Geruch. »Ich habe Aspirin und Emprin. Emprin ist etwas stärker.«
»Dann geben Sie mir das bitte. Und, Dr. Perry?«
Er sah von seiner Arzttasche auf.
»Sadie und ich haben nichts Unrechtes getan. Sie hat ihr Leben für ihr Land geopfert … und ich hätte meines für ihres gegeben. Ich bekam nur keine Gelegenheit dazu.«
»Dann möchte ich der Erste sein, der Ihnen dankt. Im Namen des gesamten Landes.«
»Der Präsident. Wo ist er jetzt? Wissen Sie das?«
Dr. Perry sah zu den Polizisten hinüber und zog fragend die Augenbrauen hoch. Sie wechselten einen Blick, dann sagte einer der beiden: »Er fliegt wie geplant nach Austin weiter, um bei einem Dinner zu reden. Ich weiß nicht, ob das tollkühn oder bloß dämlich ist.«
Vielleicht, dachte ich, stürzt die Air Force One ab, sodass Kennedy und alle an Bord tot sind. Vielleicht erleidet er einen Herz- oder Gehirnschlag. Vielleicht schießt irgendein anderer Feigling ihm den gut aussehenden Kopf runter. Arbeitete die unerbittliche Vergangenheit gegen die geschehenen Veränderungen ebenso wie vorher gegen den Verursacher der Veränderungen? Keine Ahnung. Es war mir auch ziemlich egal. Ich hatte meinen Teil getan. Was Ken nedy von nun an zustieß, konnte ich nicht mehr beeinflussen.
»Ich habe im Radio gehört, dass Jackie ihn nicht begleitet«, sagte Perry ruhig. »Er hat sie zur Ranch des Vizepräsidenten in John son City vorausgeschickt, wo sie wie geplant das Wochenende ver bringen werden. Wenn es stimmt, was Sie sagen, George …«
»Ich denke, das reicht, Doc«, sagte einer der Beamten. Mir genügte es jedenfalls; für Malcolm Perry war ich wieder George.
Dr. Perry – der eine gute Portion ärztlicher Arroganz mitbekommen hatte – ignorierte ihn. »Wenn es stimmt, was Sie sagen, sehe ich für Sie einen Ausflug nach Washington voraus. Und sehr wahrscheinlich eine Ordensverleihung im Rosengarten des Weißen Hauses.«
Als er ging, war ich wieder allein. Nur nicht wirklich allein, denn Sadie war auch da. Wie wir getanzt haben, hatte sie gesagt, kurz bevor sie diese Welt verlassen hatte. Ich konnte die Augen schließen und sie in einer Reihe mit den anderen jungen Frauen sehen, wie sie die Schultern schüttelte und den Madison tanzte. In dieser Erinnerung lachte sie, ihre Haare flogen, und ihr Gesicht war makellos. Operationsverfahren im Jahr 2011 konnten viel gegen die von John Clayton auf diesem Gesicht angerichteten Schäden tun, aber ich glaubte, ein noch besseres Verfahren zu kennen. Das heißt, wenn ich die Gelegenheit dazu bekam, es anzuwenden.
4
Ich durfte zwei Stunden lang schmerzhaft im eigenen Saft schmoren, bevor die Tür des Vernehmungsraums wieder aufging. Zwei Männer kamen herein. Der mit dem faltigen Dackelgesicht unter dem weißen Stetson stellte sich als Captain Will Fritz von der Dallas Police vor. Er hatte eine Aktentasche dabei – aber nicht meine, also war das in Ordnung.
Der zweite Kerl hatte Hängebacken, einen Trinkerteint und kurze, schwarze Haare, die von Brillantine glänzten. Sein Blick war scharf und forschend, aber auch leicht besorgt. Er zog ein Lederetui aus der Innentasche seines Jacketts und wies es aufgeklappt vor. »James Hosty, Mr. Amberson. Federal Bureau of Investigation.«
Sie haben allen Grund, besorgt zu sein, dachte ich. Sie waren für die Überwachung Lee Oswalds verantwortlich, nicht wahr, Agent Hosty?
Will Fritz sagte: »Wir möchten Ihnen ein paar Fragen stellen, Mr. Amberson.«
»Ja«, sagte ich. »Und ich will hier raus. Leute, die den Präsidenten der Vereinigten Staaten retten, werden im Allgemeinen nicht wie Verbrecher behandelt.«
»Na, na«, sagte Agent Hosty. »Wir haben Ihnen einen Doc geschickt, stimmt’s? Und nicht nur irgendeinen Doc. Ihren Doc.«
»Stellen Sie Ihre Fragen«, sagte ich.
Und machte mich zum Tanz bereit.
5
Fritz öffnete die Aktentasche und holte einen Plastikbeutel mit aufgeklebtem Beweisstücketikett heraus. Er enthielt meinen .38er-Revolver. »Den haben wir neben der von Oswald errichteten Barrikade aufgefunden, Mr. Amberson.
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