Der Anschlag - King, S: Anschlag
und Fünfzigern. Ein Haarnetz. Und eine weiße Uniform in zwei Teilen: Hose und Kittel. Der Baumwollstoff sah so dünn aus, wie meine Geschichte nach Hostys Aussage angeblich war.
»Der Brief ist gut«, sagte Hosty und legte den Schreibblock weg. »Sie kommen ein bisschen traurig rüber – wie Richard Kimble in Auf der Flucht. Haben Sie die Serie gesehen?«
Ich hatte die Kinoversion mit Tommy Lee Jones gesehen, aber jetzt war kaum der richtige Augenblick, das zu erwähnen. »Nein.«
»Sie werden tatsächlich auf der Flucht sein, aber nur vor den Medien und der amerikanischen Öffentlichkeit, die alles über Sie erfahren wollen wird – vom Fruchtsaft, den Sie morgens trinken, bis zu Ihrer Unterhosengröße. Sie verkörpern eine Geschichte aus dem Leben, Amberson, aber Sie sind kein Fall für die Polizei. Sie haben Ihre Freundin nicht erschossen; Sie haben nicht mal Oswald erschossen.«
»Ich hab’s versucht. Hätte ich ihn nicht verfehlt, würde sie noch leben.«
»Machen Sie sich in dieser Beziehung keine großen Vorwürfe. Der Raum dort oben ist ziemlich groß, und ein .38er ist auf größere Entfernungen wenig treffsicher.«
Richtig. Man musste auf weniger als fünfzehn Schritt heran kommen. Das hatte ich mehr als nur einmal gehört. Aber das sagte ich nicht. Ich vermutete, dass meine kurze Bekanntschaft mit Special Agent James Hosty bald zu Ende sein würde. Im Grunde genommen konnte ich es kaum erwarten.
»Sie sind sauber. Sie brauchen nur noch einen Ort zu erreichen, an dem Ihre Leute Sie aufsammeln und mit Ihnen ins gespenstische Nimmerland davonfliegen können. Können wir uns darauf verlassen?«
In meinem Fall war das Nimmerland ein Kaninchenbau, der mich achtundvierzig Jahre weit in die Zukunft versetzen würde. Immer unter der Voraussetzung, dass der Kaninchenbau noch da war.
»Ich werde schon zuverlässig sein.«
»Das will ich hoffen, denn wenn Sie versuchen, uns zu schaden, revanchieren wir uns doppelt. Mr. Hoover … sagen wir nur, dass der Direktor kein Mensch ist, der bereitwillig verzeiht.«
»Erzählen Sie mir, wie ich aus dem Hotel kommen soll.«
»Sie ziehen diese Küchenklamotten an – mitsamt Haarnetz und Hornbrille. Der Schlüssel ist für den Lastenaufzug. Damit gelangen Sie ins Untergeschoss B-1 . Unten durchqueren Sie die Küche und verlassen sie durch den Hinterausgang. Bis dahin alles klar?«
»Ja.«
»Dort wartet ein Wagen von uns. Sie steigen hinten ein, ohne mit dem Fahrer zu reden. Es ist kein Limousinenservice. Dann geht’s zum Busbahnhof. Ihr Fahrer hat drei Tickets für Sie zur Auswahl: Tampa um elf Uhr vierzig, Little Rock um elf Uhr fünfzig oder Albuquerque um zwanzig Minuten nach Mitternacht. Ich will gar nicht wissen, welches Sie nehmen. Und Sie brauchen nur zu wissen, dass unser Kontakt damit beendet ist. Ab dann sind Sie selbst dafür verantwortlich, untergetaucht zu bleiben. Sie und Ihre Auftraggeber, versteht sich.«
»Natürlich.«
Mein Telefon klingelte. »Falls das irgendein cleverer Reporter ist, der’s geschafft hat, zu Ihnen vorzudringen, wimmeln Sie ihn ab«, sagte Hosty. »Und wenn Sie ein einziges Wort davon sagen, dass ich hier bin, schneide ich Ihnen die Kehle durch.«
Ich vermutete, dass das scherzhaft gemeint war, war mir aber nicht ganz sicher. Ich nahm den Hörer ab. »Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber ich bin im Augenblick ziemlich müde, deshalb …«
Die rauchige Stimme am anderen Ende sagte, sie werde mich nicht lange aufhalten. Jackie Kennedy, sagte ich mit lautlosen Lippenbewegungen zu Hosty. Er nickte und goss sich noch etwas von meinem Champagner ein. Ich kehrte ihm den Rücken zu, als könnte ich ihn auf diese Weise daran hindern, meine Hälfte des Gesprächs mitzuhören.
»Mrs. Kennedy, Sie hätten wirklich nicht anrufen müssen«, sagte ich. »Aber es ist mir trotzdem eine Ehre, von Ihnen zu hören.«
»Ich wollte Ihnen dafür danken, was Sie getan haben«, sagte sie. »Ich weiß, dass mein Mann sich schon in unserem Namen bedankt hat, aber … Mr. Amberson …« Die First Lady fing an zu weinen. »Ich wollte Ihnen im Namen unserer Kinder danken, die ihren Eltern heute Abend am Telefon gute Nacht sagen konnten.«
Caroline und John-John. An die beiden hatte ich bislang überhaupt nicht gedacht.
»Mrs. Kennedy, ich habe es sehr gern getan.«
»Wie ich höre, hätte die junge Frau, die gestorben ist, Ihre Frau werden sollen.«
»Ja, das stimmt.«
»Sie sind sicher untröstlich. Bitte nehmen Sie mein herzliches Beileid
Weitere Kostenlose Bücher