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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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entgegen – ich weiß, es genügt nicht, aber mehr kann ich nicht geben.«
    »Danke.«
    »Wenn ich es ändern könnte … wenn ich die Uhr zurückdrehen könnte …«
    Nein, dachte ich. Das ist mein Job, Miz Jackie.
    »Ich weiß. Vielen Dank.«
    Wir sprachen noch etwas länger. Das Gespräch war weit schwie riger als das, das ich auf dem Polizeirevier mit Kennedy geführt hatte. Zum einen lag es daran, dass mir das Gespräch mit ihm wie ein Traum erschienen war, aber der Hauptgrund war wohl die zurückgebliebene Angst, die ich in Jacqueline Kennedys Stimme hörte. Sie schien wirklich zu begreifen, wie knapp sie diesmal entkommen waren. Diesen Eindruck hatte ihr Mann mir nicht vermittelt. Er schien zu glauben, er wäre durch göttliche Vor sehung vom Glück begünstigt, gesegnet, vielleicht sogar unsterblich. Ich weiß noch, wie ich sie gegen Ende des Gesprächs bat, ihren Mann zu überreden, nicht mehr in offenen Wagen herumzufahren, solange er Präsident sei.
    Sie sagte, darauf könne ich mich verlassen, und bedankte sich nochmals. Ich versicherte ihr meinerseits nochmals, dass ich es gern getan hätte, und legte dann auf. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass ich allein war. Während ich mit Jacqueline Kennedy telefoniert hatte, war Hosty irgendwann gegangen. Hinterlassen hatte er nur zwei Kippen im Aschenbecher, ein halb ausgetrunkenes Glas Champagner und eine weitere hingekritzelte Mitteilung, die neben dem Schreibblock mit meinem Abschiedsbrief lag.
    Werfen Sie die Wanze weg, bevor Sie den Busbahnhof betreten, stand dort. Und darunter: Alles Gute, Amberson. Ich bedaure Ihren Verlust. H.
    Vielleicht bedauerte er ihn wirklich, aber Bedauern war billig, oder nicht? Bedauern war so billig.
    11
    Ich verkleidete mich als Spüler und fuhr mit dem Lastenaufzug, in dem es nach Hühnersuppe, Barbecuesauce und Jack Daniel’s roch, hinunter ins B-1 -Untergeschoss. Als die Tür sich öffnete, ging ich rasch durch die dampfende, appetitlich duftende Küche. Ich glaube nicht, dass mich jemand eines Blickes würdigte.
    Ich trat auf die rückwärtige Hotelzufahrt hinaus, auf der sich gerade ein paar Stadtstreicher für den Inhalt eines Müllbehälters interessierten. Auch sie beachteten mich nicht, obwohl sie kurz aufsahen, weil ein Wetterleuchten einige Sekunden lang den Himmel erhellte. Am Ende der Zufahrt wartete mit laufendem Motor ein unscheinbarer Ford. Ich stieg hinten ein, und wir fuhren los. Bevor wir am Greyhound-Busbahnhof hielten, sagte der Mann am Steuer nur einen einzigen Satz: »Sieht nach Regen aus.«
    Er hielt mir drei Fahrkarten hin wie ein Blatt beim Poker für Arme. Ich nahm die Fahrkarte nach Little Rock. Bis zur Abfahrt blieb mir ungefähr eine Stunde Zeit. Ich ging in den Geschenkartikelladen und kaufte mir einen billigen Koffer. Falls alles wie geplant klappte, würde ich irgendwann etwas haben, was ich hineintun konnte. Viel würde ich nicht brauchen; in meinem Haus in Sabbatus hatte ich reichlich Kleidung, und obwohl dieses Zuhause fast fünfzig Jahre weit in der Zukunft lag, hoffte ich, es in weniger als einer Woche zu erreichen. Das war ein Paradox, das Einstein sicher gefallen würde, und mein erschöpfter, trauernder Verstand kam nie auf den Gedanken, dass dieses Zuhause – wegen des Schmetterlingseffekts – bestimmt nicht mehr mir gehören würde. Falls es überhaupt noch stand.
    Ich kaufte auch eine Zeitung, ein Extrablatt des Slimes Herald. Auf Seite eins gab es nur ein Foto, das vielleicht einem Profi, vermutlich aber eher einem Zuschauer, der Glück gehabt hatte, gelungen war. Es zeigte Kennedy, wie er sich über die Frau beugt, mit der ich vorhin telefoniert hatte: die Frau, an deren rosa Kostüm keine Blutflecken gewesen waren, als sie es an diesem Abend ausgezogen hatte.
    John F. Kennedy schützt seine Frau mit seinem Körper, während die Präsidentenlimousine der möglichen nationalen Katastrophe davonrast, lautete die Bildunterschrift. Darüber prangte eine 36 Punkt große Schlagzeile. Platz dafür war reichlich, denn sie bestand nur aus einem einzigen Wort:
    GERETTET!
    Ich blätterte um und wurde auf Seite zwei mit einem weiteren Foto konfrontiert. Es zeigte Sadie, die unglaublich jung und unglaublich schön aussah. Sie lächelte. Ich habe mein ganzes Leben noch vor mir, sagte dieses Lächeln.
    Ich setzte mich auf eine Wartebank. Es schlurften Nachtreisende an mir vorbei, Babys schrien, Soldaten mit Seesäcken lachten, Geschäftsleute ließen sich die Schuhe putzen, die

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