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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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in Maine vergessen, aber mein Körper erinnerte sich gleich daran und zitterte. Deshalb war der Herrenausstatter Louie’s for Men mein erstes Ziel. Ich fand eine Lammfelljacke in meiner Größe und ging damit zum Verkäufer.
    Als er sein Exemplar der Lewiston Sun weglegte, um mich zu bedienen, sah ich mein Porträt – ja, das aus dem DCHS -Jahrbuch – auf der ersten Seite. WO STECKT GEORGE AMBERSON? , fragte die Schlagzeile. Der Verkäufer stellte mir eine Quittung aus. Ich tippte auf das Bild von mir. »Was in aller Welt ist wohl mit diesem Kerl los?«
    Der Verkäufer sah zu mir auf und zuckte die Achseln. »Er meidet die Öffentlichkeit, und das kann ich ihm nicht verübeln. Ich liebe meine Frau verdammt über alles, und wenn sie plötzlich sterben würde, würde ich nicht wollen, dass Leute mich für die Zeitungen fotografieren oder mein verheultes Gesicht im Fernsehen zeigen. Sie vielleicht?«
    »Nein«, sagte ich. »Vermutlich nicht.«
    »An seiner Stelle würde ich bis mindestens 1970 untergetaucht bleiben. Erst mal abwarten, bis der Rabatz vorbei ist. Wie wär’s mit einer netten Mütze zu der Jacke? Erst gestern sind Flanellmützen reingekommen. Mit schön dicken Ohrenklappen.«
    Also kaufte ich mir zu meiner neuen Jacke noch eine Mütze. Dann hinkte ich zwei Straßen weit zur Busstation zurück, wobei ich den Koffer am Ende meines gesunden Arms schwang. Irgendwie wollte in dieser Minute nach Lisbon Falls zurückkehren und mich davon überzeugen, dass der Kaninchenbau noch existierte. Wenn dem so war, würde ich es jedoch gleich benutzen, obwohl mir meine Vernunft sagte, dass ich nach fünf Jahren im Land des Einst nicht auf einen Frontalangriff dessen, was ich für mich das Land des Voraus nannte, vorbereitet sei. Ich brauchte erst etwas Erholung. Wirklich erholsamen Schlaf, keinen Halbschlaf im Bus, während um mich herum Babys heulten und Männer lachten.
    Im Schnee, der jetzt wirbelte, statt dass nur hin und wieder ein paar Flocken fielen, warteten vier oder fünf Taxis am Randstein. Ich stieg in das erste und genoss dankbar den warmen Luftstrom der Heizung. Der Taxifahrer drehte sich zu mir um: ein fetter Kerl, der eine abgewetzte Baseballmütze mit einem Aufnäher trug, auf dem TAXIKONZESSION stand. Ich hatte ihn noch nie gesehen, aber ich wusste, dass sein Radio auf WJAB aus Portland eingestellt sein würde, wenn er es einschaltete – und wenn er seine Kippen aus der Hemdtasche zog, würden es Lucky Strikes sein. Man begegente sich im Leben immer zweimal.
    »Wohin, Chef?«
    Ich sagte ihm, er solle mich zum Tamarack-Autohof bringen, draußen an der Route 196.
    »Wird gemacht.«
    Er schaltete das Radio ein und bekam die Miracles rein, die »Mickey’s Monkey« sangen.
    »Diese modernen Tänze!«, grunzte er, während er nach seinen Kippen griff. »Die sind für nichts gut, außer dass die Halbwüchsigen lernen, mit den Hüften zu wackeln.«
    »Tanzen ist Leben«, sagte ich.
    2
    Die Angestellte am Empfang hatte zwar gewechselt, aber sie gab mir dasselbe Zimmer. Natürlich tat sie das. Der Preis war etwas höher, und der alte Fernseher war durch einen neueren ersetzt worden, aber an der Zimmerantenne auf dem Gerät, deren Form an Hasenohren erinnerte, lehnte dasselbe Schild: KEINE »ALUFOLIE« VERWENDEN! Der Empfang war immer noch beschissen. Es gab keine Nachrichten, nur Seifenopern.
    Ich schaltete den Fernseher aus. Ich hängte das Schild BITTE NICHT STÖREN! außen an die Tür. Ich zog die Vorhänge zu. Dann zog ich mich aus und kroch ins Bett, in dem ich – abgesehen von einem nur halb wachen Stolpern ins Bad, um meine Blase zu erleichtern – zwölf Stunden lang schlief. Als ich mitten in der Nacht aufwachte, war der Strom ausgefallen, und draußen heulte ein Nordweststurm. Hoch am Himmel stand ein strahlend heller Halbmond. Ich holte mir die Zusatzdecke aus dem Kleiderschrank und schlief weitere fünf Stunden.
    Als ich das nächste Mal wach wurde, leuchtete der Autohof im ersten Morgenlicht in den klaren Farben und Halbtönen eines Fotos aus der National Geographic. Die vor manchen Wohneinheiten parkenden Autos waren mit Raureif bedeckt, und ich konnte meinen Atem sehen. Ich versuchte es mit dem Telefon, obwohl ich mir nichts davon versprach, aber am Empfang meldete sich prompt ein junger Mann, auch wenn er noch halb zu schlafen schien. Klar, sagte er, die Telefonleitung sei nicht beschädigt worden, und er rufe mir gern ein Taxi – wohin ich denn fahren wolle?
    Lisbon Falls, sagte ich. Ecke

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