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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Aktentasche von Lord Buxton für dich im Kleiderschrank.«
    »Die brauche ich nicht – ich nehme meinen Rucksack. Der liegt bei mir im Kofferraum.«
    Al betrachtete mich amüsiert. »Wo du hingehst, trägt niemand einen Rucksack außer Pfadfindern – und auch die nur auf Wanderungen und zu Zeltlagern. Du hast noch viel zu lernen, Kumpel, aber wenn du dich vorsichtig bewegst und kein Risiko eingehst, müsste alles klappen.«
    Mir wurde bewusst, dass ich das Ganze ernstlich vorhatte – und dass es gleich jetzt fast ohne Vorbereitungen passieren würde. Ich kam mir wie ein Mensch im 17. Jahrhundert vor, der bei einer Besichtigung der Londoner Docks plötzlich merkte, dass er schanghait werden sollte.
    »Aber was tue ich?« Es klang fast wie ein Blöken.
    Er zog die Augenbrauen hoch – buschig und nun so weiß wie sein schütteres Haupthaar. »Du rettest die Familie Dunning. Haben wir davon nicht die ganze Zeit geredet?«
    »Das meine ich nicht. Was tue ich, wenn die Leute mich fragen, wovon ich lebe? Was sage ich dann?«
    »Erzähl ihnen, dass dein reicher Onkel gestorben ist. Erzähl ihnen, dass du deine zufällige Erbschaft lange genug streckst, um ein Buch schreiben zu können. Steckt nicht in jedem Englischlehrer ein frustrierter Schriftsteller? Oder täusche ich mich da?«
    Damit lag er sogar sehr richtig.
    Er saß da und sah mich an: ausgezehrt, erbärmlich dünn, aber nicht ohne Mitgefühl. Vielleicht sogar mitleidsvoll. Schließlich fragte er sehr leise: »Die Sache ist groß, nicht wahr?«
    »Das ist sie«, sagte ich. »Und, Al … Mann … ich bin bloß ein kleiner Kerl.«
    »Das könntest du auch von Oswald sagen. Ein Würstchen, das aus dem Hinterhalt geschossen hat. Und wie Harry Dunning in seinem Aufsatz schreibt, ist sein Vater nur ein bösartiger Trinker mit einem Hammer.«
    »Das ist er längst nicht mehr. Er ist im Shawshank State Prison an einer Vergiftung gestorben. Vermutlich an schlechtem Squeeze, sagte Harry. Das ist …«
    »Ich weiß, Brennspiritus. Ich hab das Zeug auf den Philippinen kennengelernt, als ich dort stationiert war. Hab leider sogar etwas davon getrunken. Aber wo du hingehst, ist er nicht tot. Oswald auch nicht.«
    »Al … ich weiß, dass du krank bist, und ich weiß, dass du Schmerzen hast. Aber kannst du mich zum Diner begleiten? Ich …« Zum ersten und einzigen Mal benutzte ich seine übliche Anrede. »Kumpel, ich will diese Sache nicht allein angehen. Ich habe Angst.«
    »Oh, ich komme unbedingt mit.« Er schob die rechte Hand unter die linke Achsel und stand mit einer Grimasse auf, bei der er den Zahnfleischrand sehen ließ. »Hol dir die Aktentasche. Ich ziehe mich inzwischen an.«
    8
    Es war Viertel vor acht, als Al die Tür des silbrigen Trailers aufschloss, den die Berühmten Fatburger ihre Heimat nannten. Die verchromten Armaturen hinter der Theke schimmerten gespenstisch. Die Hocker schienen zu flüstern: Niemals mehr wird jemand auf uns sitzen. Die altmodischen großen Zuckerstreuer schienen flüsternd zu antworten: Niemals mehr wird jemand Zucker aus uns rieseln lassen – die Party ist vorbei.
    »Macht Platz für L . L. Bean«, sagte ich.
    »Genau«, sagte Al. »Der gottverdammte Fortschritt.«
    Er war außer Atem, keuchte schwer, aber er gönnte sich keine Ruhepause. Er führte mich hinter der Theke vorbei zur Tür des Vorratsraums. Ich folgte ihm und nahm dabei die Aktentasche, die mein neues Leben enthielt, von der rechten in die linke Hand. Die Tasche mit ihren Schnallen war schrecklich altmodisch. Hätte ich sie an der LHS in mein Klassenzimmer mitgebracht, hätten die meisten Schüler gelacht. Einige wenige – die mit erwachendem Stilbewusstsein – hätten vielleicht ihren Retrochic gewürdigt.
    Al öffnete die Tür zu den Düften von Gemüse, Gewürzen und Kaffee. Dann griff er wieder an meiner Schulter vorbei, um Licht zu machen. Ich betrachtete das graue Linoleum wie ein Mann, der in ein Wasserbecken starrte, in dem hungrige Haie lauern könnten, und fuhr zusammen, als Al mir auf die Schulter tippte.
    »Sorry«, sagte er, »aber das hier solltest du mitnehmen.« Er hielt mir ein Fünfzigcentstück hin. Einen halben Dollar. »Der Gelbe-Karte-Mann, du erinnerst dich?«
    »Klar doch«, sagte ich. Tatsächlich hatte ich ihn ganz vergessen. Mein Herz hämmerte so sehr, dass meine Augäpfel in ihren Höhlen zu pulsieren schienen. Meine Zunge schmeckte wie ein altes Stück Teppich, und als Al mir das Geldstück gab, hätte ich es beinahe fallen lassen.
    Er

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