Der Anschlag - King, S: Anschlag
arbeiteten an Rechenmaschinen, aber sonst wurden die meisten Geschäftsvorgänge handschriftlich bearbeitet. Wenn man von ein paar Neuerungen absah, hätte Charles Dickens sich hier wie zu Hause fühlen können. Zugleich wurde mir klar, dass dieses Leben in der Vergangenheit eine gewisse Ähnlichkeit damit hatte, unter Wasser zu leben und durch einen Schlauch zu atmen.
6
Ich kaufte die von Al empfohlenen Kleidungsstücke bei Mason’s Menswear, wo mir der Verkäufer erklärte, dass ich sehr gern mit einem Scheck bezahlen dürfe, wenn er auf eine hiesige Bank ausgestellt sei. Dank Lorraine konnte ich mit einem dienen.
Nach meiner Rückkehr zum Jolly White Elephant beobachtete der Beatnik schweigend, wie ich den Inhalt von drei Tragetaschen in meinen neuen Koffer packte. Erst als ich die Verschlüsse zuschnappen ließ, äußerte er sich dazu. »Komische Art, Einkäufe zu machen, Mann.«
»Schon möglich«, sagte ich. »Aber wir leben in einer komischen alten Welt, oder etwa nicht?«
Darüber musste er lächeln. »Ich schätze, deshalb hat Gott sie schräg gestellt, bevor er sie losließ. Gib mir Haut, Jackson.« Dazu streckte er mir seine Hand mit der Innenseite nach oben hin.
Einen Augenblick lang kam ich mir vor wie in der Bank, als ich zu erraten versucht hatte, was das Wort Drexel in Verbindung mit ein paar Ziffern bedeuten könnte. Dann erinnerte ich mich an Dragstrip Girl und verstand, dass der Beatnik mir die in den Fünfzigerjahren übliche Version des Abklatschens anbot. Ich fuhr mit der Handfläche über seine, spürte die Wärme und den Schweiß und dachte wieder: Das hier ist real. Es passiert wirklich.
»Haut, Mann«, sagte ich.
7
Mit dem neu gepackten Lederkoffer in der einen und meiner Aktentasche in der anderen Hand ging ich wieder zu Titus’ Chevron-Tankstelle hinüber. In der Welt des Jahres 2011, aus der ich kam, war es erst später Vormittag, aber ich fühlte mich bereits erschöpft. Zwischen der Tankstelle und dem Autoverkaufsplatz stand eine Telefonzelle. Ich betrat sie, schloss die Tür und las den handgeschriebenen Zettel über dem altmodischen Münztelefon: DENKEN SIE DARAN, DASS ANRUFE JETZT DANK »MA« BELL EINEN DIME KOSTEN.
Ich blätterte in den Gelben Seiten des örtlichen Telefonbuchs und fand die Firma Lisbon Taxi. In ihrer Anzeige war ein Cartoontaxi mit Augen als Scheinwerfer und einem breiten Lächeln als Kühlergrill abgebildet. Der dazugehörige Text sicherte SCHNELLEN, FREUNDLICHEN SERVICE zu. Das klang gut, fand ich. Ich grub nach Kleingeld, aber als Erstes fiel mir etwas in die Hand, was ich hätte zurücklassen sollen: mein Nokia-Handy. Nach den Begriffen des Jahres 2011 war es völlig veraltet – ich hatte es längst gegen ein iPhone eintauschen wollen –, aber hier hatte es nichts zu suchen. Falls es jemand zu sehen bekäme, würde man mir hundert Fragen stellen, die ich nicht beantworten konnte. Ich verstaute es in meiner Aktentasche. Dort war es vorerst vermutlich gut aufgehoben, aber ich würde es demnächst entsorgen müssen. Es zu behalten wäre, wie mit einer scharfen Bombe herumzulaufen.
Ich fand einen Dime, steckte ihn in den Einwurfschlitz und hörte ihn klappernd in die Geldrückgabe fallen. Als ich ihn herausfischte, genügte ein Blick, um mir zu zeigen, wo das Problem lag. Wie mein Nokia stammte dieser Dime aus der Zukunft: ein Kupfersandwich, eigentlich nicht mehr als ein glorifiziertes Centstück. Ich holte mein ganzes Kleingeld heraus, rührte mit dem Zeigefinger darin herum und fand endlich einen Dime aus dem Jahr 1953 – wahrscheinlich Wechselgeld von dem Root Beer, das ich in der Kennebec Fruit getrunken hatte. Als ich ihn einwerfen wollte, jagte mir ein Gedanke einen kalten Schauer über den Rücken. Was wäre gewesen, wenn mein Dime aus dem Jahr 2002 stecken geblieben wäre, statt in die Geldrückgabe durchzufallen? Und was wäre gewesen, wenn der Mann von AT&T , der die Münztelefone in Lisbon Falls wartete, die Münze gefunden hätte?
Er hätte sie für einen Scherz gehalten, das ist alles. Nur für einen gut ausgeklügelten Streich.
Irgendwie bezweifelte ich das – der Dime war zu perfekt. Der Mann hätte ihn herumgezeigt; irgendwann wäre die Münze vielleicht sogar im Lokalblatt abgebildet worden. Dieses Mal hatte ich Glück gehabt, aber beim nächsten Mal würde ich vielleicht keines haben. Ich musste vorsichtiger sein. Mit wachsendem Unbehagen dachte ich wieder an mein Nokia. Dann warf ich den Dime von 1953 ein und hörte prompt ein
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