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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ohne auf das Schmierfett zu achten. Dann deutete er auf die Verkaufsbude. Die hübsche Kleine mit dem Pferdeschwanz las heute das Confidential Magazine. »Zahlen können Sie bei dieser jungen Dame, die zufällig meine Tochter ist. Sie stellt Ihnen eine Quittung aus. Sobald Sie fertig sind, kommen Sie zu mir, und ich bringe die Plakette an. Und spendiere Ihnen auch noch eine Tankfüllung.«
    Vierzig Minuten später fuhr ich am Steuer eines 1954er Ford-Cabrios, das jetzt mir gehörte, nach Norden in Richtung Derry. Ich hatte mit Handschaltung gelernt, sodass mir die keine Probleme bereitete, aber dieser Wagen war mein erster mit Lenkradschaltung. Das war anfangs seltsam, aber sobald ich mich daran gewöhnt hatte (genau wie ich mich daran würde gewöhnen müssen, dass der Abblendschalter mit dem linken Fuß betätigt wurde), gefiel es mir. Und Bill Titus hatte recht, was den zweiten Gang betraf: Im Zweiten ging der Sunliner ab wie eine Rakete. In Augusta hielt ich kurz, um das Verdeck zu öffnen. In Waterville aß ich einen ausgezeichneten Hackbraten, der mit Beilagen und Apfelkuchen mit Eiscreme fünfundneunzig Cent kostete. Im Vergleich dazu erschien Als Fatburger überteuert. Ich sang mit den Skyliners, den Coasters, den Del Vikings und den Elegants mit. Die Sonne schien warm, der Fahrtwind zerzauste meinen neuen Kurzhaarschnitt, und der Turnpike (mit dem Spitznamen »The Mile-A-Minute Highway«, wie auf den Werbetafeln stand) gehörte praktisch mir allein. Alle meine Sorgen und Zweifel vom Vorabend schienen mit meinem Mobiltelefon und dem Münzgeld aus der Zukunft in dem Kuhweiher versunken zu sein. Ich fühlte mich gut.
    Bis ich Derry sah.
    2
    Mit dieser Kleinstadt war irgendetwas nicht in Ordnung, und ich glaube, dass ich das von Anfang an wusste.
    Als der Mile-A-Minute Highway zu einer zweispurigen Straße mit vielfach geflickter Asphaltdecke wurde, nahm ich die Route 7. Ungefähr zwanzig Meilen nördlich von Newport kam ich über einen Hügel und sah Derry zusammengeduckt am Westufer des Kenduskeags liegen, förmlich begraben unter einer Wolke aus Rauch und Schmutz von weiß Gott wie vielen Papier- und Textilfabriken, die alle auf Hochtouren liefen. Mitten durch die Stadt verlief eine grüne Ader, die aus der Ferne wie eine Narbe aussah. Die Stadt um diesen ausgefransten Grünzug herum schien nur aus rußigen Grau- und Schwarztönen zu bestehen, unter einem Himmel, den die Abgase aus all diesen Fabrikkaminen uringelb gefärbt hatten.
    Ich passierte mehrere Obst- und Gemüsestände, deren Verkaufspersonal ebenso wie die Leute, die nur am Straßenrand standen und mich im Vorbeifahren anglotzten, mehr an die sich durch Inzucht vermehrenden Hinterwäldler aus Beim Sterben ist jeder der Erste erinnerten als an Farmer aus Maine. Als ich am letzten Stand vorbeifuhr – BOWERS ROADSIDE PRODUCE –, kam hinter aufgestapelten Tomatenkörben ein riesiger Mischlingshund hervorgestürmt und jagte mich, wobei er sabbernd nach den Hinterreifen des Sunliners schnappte. Er sah wie eine missratene Bulldogge aus. Bevor ich ihn aus den Augen verlor, konnte ich noch beobachten, wie eine hagere Frau in einer Latzhose ihm nachlief und ihm ein Brett über den Schädel zog.
    Dies war die Kleinstadt, in der Harry Dunning aufgewachsen war, und ich hasste sie auf den ersten Blick. Ohne bestimmten Grund; ich tat’s einfach. Das am Fuß dreier steiler Hügel liegende Einkaufsviertel in der Innenstadt wirkte erbärmlich und beklemmend. Mein kirschroter Ford schien der hellste Farbklecks auf der Straße zu sein: ein ablenkender (und, nach den meisten scheelen Blicken zu urteilen, unwillkommener) farbiger Akzent zwischen den schwarzen Plymouths, braunen Chevrolets und schmutzigen Lieferwagen. Durch die Stadtmitte verlief auch ein Kanal, der fast bis zur Krone seiner mit Moos bewachsenen Seitenwände mit schwarzem Wasser angefüllt war.
    Ich fand einen Parkplatz in der Canal Street. Mit einem in die Parkuhr eingeworfenen Nickel sicherte ich mir eine Stunde Einkaufszeit. Ich hatte vergessen, mir in Lisbon Falls einen Hut zu kaufen, und sah hier zwei oder drei Läden weiter ein Geschäft, das sich Derry Dress & Everyday – das eleganteste Herrenartikelgeschäft von Central Maine – nannte. Ich bezweifelte, dass es hier auf diesem Gebiet viel Konkurrenz gab.
    Ich hatte vor dem Drugstore geparkt und blieb kurz stehen, um das große Schild in der Auslage zu lesen. Irgendwie fasste es meinen Eindruck von Derry – das säuerliche Misstrauen, ein

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