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Der Anschlag - King, S: Anschlag

Der Anschlag - King, S: Anschlag

Titel: Der Anschlag - King, S: Anschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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spielt.«
    »Fünfundvierzig Umdrehungen müssten genügen«, sagte ich. »Lasst die Platte wieder von vorn laufen, aber diesmal mit kleinerer Geschwindigkeit.« Das Tempo zu verringern, während man neue Figuren übte, war ein Trick, den Christy und ich in unseren Tanzkursen gelernt hatten.
    »Crazy, Daddy«, sagte Richie. Er verstellte den kleinen Hebel neben dem Plattenteller und setzte die Nadel wieder auf. Diesmal klang die Musik, als hätten alle Musiker von Glenn Millers Band Quaaludes geschluckt.
    »Also dann …« Ich streckte Beverly die Hände hin. »Pass gut auf, Richie.«
    Sie ergriff vertrauensvoll die dargebotenen Hände und sah dabei mit großen blauen Augen leicht amüsiert zu mir auf. Ich fragte mich, wer und wo sie im Jahr 2011 war. Wenn sie überhaupt noch lebte. Würde sie sich dann an den Fremden erinnern, der seltsame Fragen gestellt und einst an einem sonnigen Septembernachmittag zu einer verlangsamten Version von »In the Mood« mit ihr getanzt hatte?
    »Ihr habt bisher schon langsam getanzt, und das neue Tempo verlangsamt euch noch mehr, aber ihr könnt trotzdem im Takt bleiben«, sagte ich. »Reichlich Zeit für jeden Schritt.«
    Zeit. Reichlich Zeit. Lasst die Platte von vorn laufen, aber langsamer.
    Ich zog sie an den Händen zu mir her. Ließ sie wieder zurücktreten. Wir beugten uns wie unter Wasser nach vorn und kickten nach links, während das Glenn Miller Orchestra bahhhhh … dahhh … dahhhh … bahhhh … dahhhh … daaaa … diee … dammmmmm … spielte. In demselben langsamen Tempo, wie ein fast abgelaufenes Aufziehspielzeug, drehte sie sich unter meinen erhobenen Händen nach links.
    »Stopp!«, sagte ich, und sie erstarrte mit dem Rücken zu mir und ohne meine Hände loszulassen. »Jetzt drück meine rechte Hand, um mich daran zu erinnern, was als Nächstes kommt.«
    »Cool!«, sagte sie. »Jetzt soll ich zwischen Ihre Beine gleiten, und Sie ziehen mich wieder heraus. Und ich mache einen Überschlag. Deshalb üben wir auf Gras, damit ich mir nicht das Genick breche, wenn ich falsch aufkomme.«
    »Diesen Teil überlasse ich euch«, sagte ich. »Ich bin zu alt, um irgendwas anderes als Kosten zu überschlagen.«
    Richie riss wieder die Arme hoch. »Wacka-wacka-wacka! Fremder Erwachsener glänzt mit weiterer …«
    »Piep-piep, Richie«, sagte ich. Das brachte ihn zum Lachen. »Jetzt bist du an der Reihe. Und vereinbart Handzeichen für alle Figuren, die über den Jitterbug-Twostepp hinausgehen, der möglicherweise beim hiesigen Tanztee getanzt wird. Dann seht ihr zumindest gut aus, selbst wenn ihr die Talentshow vielleicht nicht gewinnt.«
    Richie ergriff Beverlys Hände und versuchte es. Rein und raus, Seite an Seite, Drehung nach links, nach rechts zurück. Perfekt. Sie glitt geschmeidig wie ein Fisch zwischen Richies gespreizte Beine, und er zog sie wieder heraus. Sie schloss einen spektakulären Überschlag an, nach dem sie stehend aufkam. Richie fasste sie erneut an den Händen, und sie wiederholten das Ganze. Diesmal sah es noch besser aus.
    »Beim Runter-und-raus kommen wir aus dem Takt«, beschwerte Richie sich.
    »Nicht mehr, wenn die Platte mit normaler Geschwindigkeit läuft. Verlasst euch darauf.«
    »Mir gefällt das«, sagte Beverly. »Als hätte man die ganze Sache unter Glas.« Sie drehte eine kleine Pirouette auf den Spitzen ihrer Turnschuhe. »Ich fühle mich wie Loretta Young zu Beginn ihrer Show, wenn sie mit einem wirbelnden Rock hereinkommt.«
    »Man nennt mich Arthur Murray, ich bin aus Miss- UUU -ri«, sagte Richie. Auch er wirkte erfreut.
    »Ich lasse die Platte jetzt normal laufen«, sagte ich. »Denkt an die Handzeichen. Und bleibt im Takt. Es geht immer nur um den Zeitablauf.«
    Glenn Miller spielte die alte Schnulze, und die beiden tanzten. Ihre Schatten tanzten im Gras neben ihnen. Raus … rein … beugen … kicken … links drehen … rechts drehen … zwischen die Beine … sofort wieder raus … und Überschlag. Diesmal waren sie nicht perfekt, und sie würden noch viel üben müssen, bis sie die Schritte völlig beherrschten, aber sie waren nicht schlecht.
    Ach, zum Teufel damit. Sie waren wunderschön anzusehen. Zum ersten Mal, seit ich auf der Route 7 über den Hügel gekommen war und Derry erblickt hatte, wie es am Westufer des Kenduskeags aufragte, war ich glücklich. Das war ein gutes Gefühl, auf dem man aufbauen konnte, deshalb ging ich von den beiden weg und erteilte mir dabei den bewährten alten Rat: Sieh dich nicht um, sieh dich

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