Der Antares-Krieg
sind sie so abergläubisch wie die Zigeuner der alten Tage.«
»Wenn man ihre Geschichte betrachtet«, erwiderte Phillip, »kann man es ihnen nachempfinden.«
In dem kriegerischen Jahrhundert, seit die Flüchtlinge von New Providence Sandar besiedelt hatten, war es zu Dutzenden Feldzügen und Hunderten von Schlachten und Zusammenstößen mit den Ryall gekommen. Wurde ein Schiff im Verlauf eines solchen Kampfes getroffen, musste es in den meisten Fällen als Totalverlust abgeschrieben werden. Gelegentlich kam es jedoch vor, dass Schiffe der Zerstörung entgingen, aber so stark beschädigt wurden, dass sie aus eigener Kraft nicht zu ihrem Stützpunkt zurückkehren konnten. In solchen Fällen nahmen beide Seiten erhebliche Mühen auf sich, um die überlebende Mannschaft zu retten. Denn in einem Krieg zwischen fremden Spezies waren Gefangene ihr Gewicht in Gold wert.
Im Laufe der Jahre war es den Sandarern gelungen, auf diese Art und Weise ein paar hundert Gefangene zu machen. Sie hatten auch die Leichen Gefallener aus den Wracks zerstörter Schiffe geborgen. Die Autopsien der Toten hatten ihnen zu eingehender Kenntnis der Ryallphysiologie verholfen. Durch Verhöre und die Beobachtung der Gefangenen hatten sie versucht, auch in die Psyche der Ryall einzudringen, doch mit sehr viel weniger Erfolg.
Eine der ersten Entdeckungen der Sandarer war der Umstand, dass die Ryall wie die Menschen eine rassisch und kulturell vielgestaltige Art waren. Weltanschauung und Lebenseinstellung jedes einzelnen Ryall waren weitgehend abhängig von Herkunft und Umfeld. So konnte es geschehen, dass Gefangene der Rasse von Avadon, wie die Menschen eine der bedeutenden Welten der Ryall-Hegemonie nannten, das Fleisch bestimmter Tierarten aus Gründen der Religion und des Brauchtums verschmähten, während die in Belaston ansässigen Stammesgruppen anderer Rassen gerade diese Tiere als Fleischlieferanten bevorzugten. Gefangene aus Caarel bauten Schilfhütten, wenn ihnen nichts Besseres gegeben wurde, während jene aus Darthan unterirdische Höhlen und Gänge gruben. Aber allen Ryall war ungeachtet ihrer Herkunft die Legende von den Schnellen Essern gemeinsam.
Vor ungefähr dreißigtausend Jahren hatten Menschen und Ryall sich ungefähr im kulturellen Gleichstand befunden. In einer Zeit, als die Menschen in kleinen Sippenverbänden lebten und als Jäger und Sammler ihren Lebensunterhalt fanden, hatten auch die Ryall in kleinen Familienverbänden gelebt. Ihre Siedlungen hatten sie an den Ufern seichter Seen und Flüsse angelegt. Sie waren einfache Fischer, die einen guten Teil ihrer Zeit mit dem Fang aquatischer Lebensformen in und auf dem Wasser verbrachten. Die Flüsse und Seen ihrer Heimatwelt boten so reiche Ausbeute, dass kein Fischer Hunger leiden musste. Und wenn es bisweilen auch wegen der Ausbeutung besonders reicher Fischgründe zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Dörfern kam, waren die Ryall insgesamt doch von friedlicher und glücklicher Wesensart.
Diese ruhige Lebensweise hatte ungefähr zur gleichen Zeit ein abruptes Ende gefunden, als die Menschen anfingen, Werkzeuge und Waffen aus Stein und Elfenbein herzustellen, noch lange bevor auf Erden die Ära des Ackerbaus und der Sesshaftwerdung begann. Ursache der Veränderung war ein einzelner Stern gewesen, der plötzlich hell am Himmel der Heimatwelt brannte. Die primitiven Ryall hatten nicht gewusst, was sie von dem neuen Stern halten sollten, der hell genug war, um sogar bei Tageslicht gesehen zu werden. Wie die meisten primitiven Völker, betrachteten sie jede Veränderung am Himmel als ein schlechtes Omen und wandten sich an ihre Zauberärzte und Schamanen um Rat. Diese Würdenträger rieten ihnen, sich nicht unnötig im Freien aufzuhalten und nach Möglichkeit in ihren unterirdischen Höhlen zu bleiben, bis der Stern verschwinden würde. Und tatsächlich verschwand er nach ein paar Jahren, verblasste wieder zu der kaum sichtbaren Bedeutungslosigkeit, aus der er gekommen war. Wahrscheinlich wäre er bald ganz in Vergessenheit geraten, hätte das tägliche Leben der Ryall nicht gerade in der Zeit, als der neue Stern verschwand, eine unerwartete und tief greifende Veränderung erfahren. Wie die Antares-Supernova dreißigtausend Jahre später, hatte die nahe Nova die Heimatwelt der Ryall mit harter Strahlung überschüttet. Die Intensität war nicht hoch genug, um die Ryall-Welten zu sterilisieren, aber sie war schlimm genug. Der Regen von primärer und
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