Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
vergnügt, böswillig und heldenhaft zugleich das Gaspedal bis zum Boden seiner alten Klapperkiste durch und bretterte temperamentvoll den Zufahrtsweg nach Arandore hoch. Die Paparazzi konnten sich mit Hechtsprüngen gerade noch ins Gebüsch retten, bevor der Major mit einem professionell kontrollierten Schleudermanöver vor dem Hoftor zum Stehen kam.
Als er sah, dass die schöne Judy gerade mit ihrem bunten Regenschirm gegen einen fetten Schreiberling focht und dass Susan und die Mädchen sich im Nahkampf mit den Journalisten befanden, sprang er, seine Jagdflinte schwingend, aus dem Auto. Und Guinness mit seinem Zentner Lebendgewicht rannte bedrohlich bellend hinter ihm her.
Es dauerte eine Stunde, bis sie auch die Letzten zum Tor hinausgejagt hatten. Major Jenson hatte mit seiner Jagdflinte gedroht, und Susan hatte Floras Hockeyschläger geschwungen und dazu gebrüllt wie ein Indianer auf dem Kriegspfad. Anschließend zog sie sich in ihren Schuppen zurück, um ein Schild anzufertigen, das sie am Tor befestigen wollte.
»›Betreten verboten‹«, las Pip, als sie es an ihr vorbei nach unten zum Tor trug. Dort allerdings stellte Susan fest, dass Major Jenson sich am Ende des Fahrwegs häuslich niedergelassen hatte. Wie ein Wachtposten saß er vor dem Tor auf einem Klappstuhl, die Flinte im Schoß und neben sich eine Thermosflasche Tee mit Brandy.
Hier sollte niemand mehr reinkommen. Und raus auch nicht, wie es schien.
Doch da sah Susan etwas.
»O Gott!«, rief sie.
»Was ist?« Mit dem Gewehr im Anschlag sprang Jenson auf und sah sich um.
»Er kommt«, erwiderte Susan atemlos, ließ das frisch lackierte Schild fallen und sprintete zurück zum Haus.
Die übrige Familie saß oben im Wohnzimmer. Alle hatten sich auf das riesengroße alte Sofa gekuschelt und ließen sich von dem Kaminfeuer beruhigen.
Trotz seiner Größe bot das Sofa für die Mädchen, Judy und drei Hunde eigentlich nicht genug Platz, aber die Ereignisse des heutigen Tages hatten sie alle so erschüttert, dass sie sich wie junge Kätzchen in einem Karton trostsuchend zusammendrängten.
Zwei Geländewagen und einem Maybach voll muskelbepackter Männer konnte Major Jenson keinen Widerstand entgegensetzen, und so folgte der Konvoi der rennenden Susan die Einfahrt hinauf.
Als Gypsy den für teure Autos typischen Motorenklang und das gemächliche Knirschen breiter Reifen auf Kies hörte, tauchte sie käsebleich unter Persicoria auf, verließ das Sofa und lugte vorsichtig aus dem Fenster.
»Wer ist das?«, fragte sie, als die Fahrzeuge anhielten.
Judy wühlte sich unter ihrer zweitjüngsten Tochter hervor und stellte sich hinter Gypsy. Sie schlang die Arme um ihre Kleine, legte das Kinn auf ihren Kopf und schaute gemeinsam mit ihr aus dem Fenster. Als sie sah, wie er die langen, in Leder gekleideten Beine aus der hinteren Tür des Maybach schwang, seufzte sie so tief, dass ihre Atemluft Gypsys langes blondes Haar auffächerte.
»Dein Vater, Süße. Nur dein verflixter Vater.«
– 38 –
Judy ging die Treppe hinunter und nach draußen, um ihn zu begrüßen. Man sah ihr an, wie angespannt sie war.
Gypsy, die immer noch oben aus dem Fenster schaute, wurde jetzt von ihren Schwestern umringt. Sie waren besorgt und wollten ihr Küken beschützen, doch gleichzeitig staunten sie einfach, weil dieser weltberühmte Star jetzt in ihrem Hof stand. Sie alle hatten ihn ja im Fernsehen gesehen, hatten zu seiner Musik aus dem Radio getanzt, und nun erschien ihnen die Situation so unwirklich, dass er jetzt leibhaftig hier auftauchte und Gypsys Vater war.
Auch Judy fand das alles höchst merkwürdig.
Als sie mit Gypsy schwanger wurde, war sie Hals über Kopf in diesen Mann verliebt gewesen – leidenschaftlich, wie von Sinnen. Sie hatte ihn wie einen Helden verehrt. Ihre Beziehung glich einer Fahrt mit der Achterbahn, es war nichts Beständiges wie mit Edward.
Als er sie das letzte und einzige Mal besucht hatte, war Gypsy zwei gewesen, und auch da noch hatte Judy dieses spontane Ziehen im Herzen und im Schoß verspürt, als er zur Tür hereingekommen war. Dabei war sie sauer gewesen, dass er ihr schönes gemeinsames Töchterchen so lange fast völlig ignoriert hatte. Damals hätte sie am liebsten gelacht und geweint, sich mit hämmernden Fäusten auf ihn geworfen und ihn windelweich geprügelt, und wenn er dann besiegt am Boden gelegen hätte, hätte sie ihn behutsam ausziehen und jeden einzelnen blauen Fleck küssen mögen.
Er war damals Ende vierzig
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