Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
betretens Schweigen, das plötzlich von einem ohrenbetäubenden Geräusch unterbrochen wurde. Es hörte sich an, als flöge ein Hubschrauber tief über das Haus hinweg.
Es war Gypsys Magen.
Floras Magen antwortete gleich darauf.
»Okay«, stimmte Pip einen versöhnlichen Ton an, löste vorsichtig Gypsys Arme, die noch um ihren Hals geschlungen waren, und stand auf. »Wie wär’s, wenn ich uns jetzt erst mal was zu essen mache? Spätes Mittagessen? Frühes Abendessen?«
Sofort lächelten sie alle wieder.
Tante Susan konnte nicht kochen. Sie konnte eine Wand aufmauern oder Dachrinnen reparieren, und sie gab auf dem uralten Traktor, mit dem sie die Wiesen zu zähmen versuchte, einen veritablen Michael Schumacher ab, doch trotz ihres innigen Wunsches, eine Rüschenschürze anzulegen und eine Superhausfrau zu werden, hatte sie es nie geschafft, die Kunst des Kochens zu erlernen. Judy war eine hervorragende Köchin, gewissermaßen zu hervorragend, denn bei ihr geriet das Kochen stets zu einer ganztägigen Veranstaltung. Die Küche glich danach einem Schlachtfeld.
Als Pip noch zu Hause wohnte, war sie fürs Kochen zuständig gewesen. Bevor sie auszog, hatte sie ihren Schwestern ein paar Basics beigebracht – Shepherd’s Pie, Chicken Stew und Chili con carne –, damit sie selbst dafür sorgen konnten, dass ab und zu etwas Vernünftiges auf den Tisch kam.
Jetzt im Moment war Pip allerdings mit dem Problem konfrontiert, dass es im gesamten Haus keine Essensvorräte gab. Die Schränke waren leer, und zwar buchstäblich.
Drei Gläser von Susans eingelegten Zwiebeln, eine halbe Packung billiger Cornflakes, eine Dose Bohnen, eine Dose Ravioli und eine Tüte Reis, Verfallsdatum abgelaufen.
Im Kühlschrank fand sie eine riesige, halb leere Dose vom widerlichsten Billighundefutter unter der Sonne, einen so gut wie leergekratzten Becher Margarine und ein halb leeres Glas von der billigen Erdbeermarmelade, in der ganz bestimmt keine echten Erdbeeren steckten, sondern bloß irgendwelche bissfesten Klumpen äußerst zweifelhaften Ursprungs.
Pip schüttelte den Kopf.
Das war ja wirklich verheerend.
Es musste ihnen noch deutlich schlechter gehen, als sie zugaben.
Nun ja, wenigstens um die Vorräte konnte sie sich kümmern.
Sie drehte sich zu den anderen um und sagte strahlend:
»Auf geht’s, wir fahren einkaufen!«
– 7 –
»Ich werde nach Spanien fliegen und ihn suchen.«
»Aber du hast doch gesagt, dass deine Tante Susan das bereits versucht hat?«
»Ich weiß, aber vielleicht habe ich ja mehr Glück.«
Pip hatte einen riesigen Shepherd’s Pie gebacken und zum Nachtisch einen Apple Crumble mit heißer Vanillesoße zubereitet.
Während die anderen sich mit großem Appetit über das Essen hermachten, war sie mit dem Telefon nach draußen gegangen und hatte sich damit, so weit es der Empfang zuließ, vom Haus entfernt, um Nancy anzurufen.
Durch die großen Bogenfenster sah sie, wie ihre Schwestern sich in der Küche darüber zankten, wer abwaschen und wer abtrocknen sollte. Denn eine Regel gab es immerhin auf Arandore: Wer kochte, musste die Küche nicht aufräumen. Diese Regel hatte Pip ihren Schwestern schon ziemlich früh aufdrücken müssen, denn sonst wäre sie selbst fast gar nicht mehr aus der Küche herausgekommen.
Alle waren sich einig gewesen, dass das eine gerechte Arbeitsteilung war, und doch motzten und meckerten sie jedes Mal wieder.
Pip sah, wie Gypsy Flora mit einem Geschirrtuch auf den Hintern peitschte, was diese mit einem Kreischen quittierte. Pip seufzte und richtete den Blick nach oben. Es wurde langsam dunkel, der große silberne Mond erleuchtete bereits den Himmel.
Pip genoss die klare Landluft. Sie atmete tief durch, schmeckte das Aroma vom Salz des Meeres.
»Und wieso solltest du mehr Glück haben?«, fragte Nancy sie in ihrer direkten Art. »Wenn da in Spanien irgendjemand irgendetwas zu sagen hätte, würde er ganz bestimmt eher bei deiner Tante auspacken. Du bist viel zu nett. Sie ist ... ein Drachen.«
»Nancy! Susan ist doch kein Drachen! Susan ist ein Goldstück!«
»Sie ist einsachtundachtzig groß, muskulös und hat ein Sensenmann-Tattoo auf dem Oberarm!«
»Das stammt aus ihrer Sturm-und-Drang-Zeit ... Wenn man sie erst mal besser kennt, merkt man schnell, dass sie zuckersüß ist ...«
»Ich kenne sie seit sechzehn Jahren, Pip, und ich habe noch nichts Zuckersüßes an ihr entdecken können. Aber gut, sie hat mich auch noch nie wirklich leiden können. Meint ja,
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