Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
dass ich einen schlechten Einfluss auf dich ausübe ...«
»Tust du ja auch ...«, zog Pip sie auf.
»Ich geb alles, Pips ... Macht mir Spaß, brave Mädchen auf Abwege zu bringen, aber nicht in diesem Fall. Ich halte das wirklich für keine besonders gute Idee, dass du nach Spanien fliegst. Abgesehen davon scheinst du auf Arandore dringender gebraucht zu werden ...«
»Da hast du recht ... Aber ich muss ihn finden, wir können die Sache doch nicht einfach so auf sich beruhen lassen, von wegen, oh, Pech gehabt, wieder eine Lektion fürs Leben gelernt, ist ja nur Geld. Es ist nämlich nicht nur Geld, Nancy, wir reden hier von Zehntausenden von Pfund, die Grundabsicherung für den ganzen Haufen hier. Verdient ja keiner was von denen. Ich glaube, sie haben sich mit dem, was Susan ab und zu mal als Landschaftsgärtnerin dazuverdient, gerade so über Wasser halten können, aber ich wette, hier liegen haufenweise unbezahlte Rechnungen herum. Kühlschrank und Speisekammer waren so gut wie leer, als ich ankam, Gypsy läuft mit löchrigen Klamotten rum, und mich würde es nicht wundern, wenn die Heizöltanks leer wären, es kommt nämlich kein heißes Wasser aus den Leitungen ...«
»Haben sie ihn denn angezeigt?«
»Nö.«
»Und warum nicht?«
»Ach ...«, seufzte Pip und schüttelte den Kopf. »Einerseits aus völlig deplatzierter Loyalität ihm gegenüber, glaube ich. Sie fanden ihn ja alle toll. Sie klammern sich wohl irgendwie an die Hoffnung, dass der ganze Mist in Wirklichkeit nur ein riesiges Missverständnis war und dass er jede Minute vor der Tür stehen wird, eine vernünftige Erklärung auf den Lippen und einen Scheck über dreihunderttausend Pfund in der Hand.«
»Dreihunderttausend!!« Nancy quietschte so laut, dass Pip den Hörer vom Ohr nehmen musste. »Er hat euch um dreihunderttausend Pfund erleichtert!? Herrjemine, Pip! Geh zur Polizei!«
»Und was soll die tun? Er wird ihnen sagen, dass Mum ihm das Geld gegeben hat. Geschenkt. Es existiert keinerlei schriftliche Vereinbarung. Mum hat ihm vertraut.«
»O mein Gott«, stöhnte Nancy. »Dann hast du also nicht übertrieben, als du gesagt hast, dass es richtig schlimm ist ... Aber was willst du jetzt machen, Pip? Was erwarten die anderen jetzt von dir? Dass du alles wieder hübsch in Ordnung bringst? Aber wie?«
»Keine Ahnung, Nancy. Keine Ahnung.«
Pip sah auf die Uhr.
Wegen der Einkauferei war es doch spät geworden. Bis auf Judy und Viola hatten sich alle um den Tisch versammelt.
Jetzt war es schon fast acht.
Da fiel Pip ein, dass Dan um acht bei ihr beziehungsweise bei Nancy sein wollte.
Sie staunte, dass sie erst jetzt zum ersten Mal an ihn dachte.
Dabei hatte sie sich in den letzten Wochen doch gewissermaßen daran gewöhnt, dass er ihr konstant im Kopf herumschwirrte.
»Ist er schon da?«, erkundigte sie sich so lässig wie möglich.
»Wer? Dan? Nee, noch nicht. Aber keine Sorge, ich habe alles unter Kontrolle. Ich habe das Bett im Gästezimmer frisch bezogen und sogar was zum Abendessen vorbereitet.«
»Du hast gekocht?«, rief Pip erstaunt.
»Na ja, ich habe eine Flasche besorgt und Pizza bestellt. In meiner Welt heißt das, dass ich gekocht habe, ja ...«
»Danke, Nan...«
»Schon in Ordnung, du hast schon genug um die Ohren, da brauchst du dich nicht auch noch um unseren neuen Mitbewohner zu sorgen. Wo, sagtest du, war diese Bar? In Barcelona?«
»Ja.«
»Und wie heißt die?«
»Ich glaube, Flora sagte was von Illuvia.«
»Illuvia? Okay ...« Nancy schrieb sich das auf. »Hör mal, mein Freund Javier ist doch Arzt, hat letztes Jahr hier im Krankenhaus auf der Unfallstation gearbeitet, vielleicht erinnerst du dich. So ein dunkler, gut aussehender Typ mit Ziegenbärtchen und Engel-Tattoo am Hintern ...«
Daran konnte Pip sich in der Tat erinnern.
In Sachen Männer war Nancy nämlich komplett anders gepolt als Pip: Wenn ihr ein Mann gefiel, kostete sie das Gefühl genauso aus, wie es ihr gerade in den Sinn kam. Was so viel hieß wie: Sie vernaschte ihn genau so, wie es ihr gerade in den Sinn kam.
Was Javier betraf, so erinnerte Pip sich noch sehr deutlich, wie die beiden in Pips Badewanne (Nancy hatte bloß eine Dusche in ihrem Badezimmer) Botticellis »Geburt der Venus« nachahmten ... Nancy hatte zwei Muschelschalen strategisch plaziert, darüber hinaus trug sie lediglich eine Perlenkette. Und Javier mimte den schwer atmenden Zephyros.
Leider hatten die beiden vergessen, die Badezimmertür abzuschließen,
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