Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
hoch und bewunderte die prächtigen Rhododendren und die beiden turmhohen Palmen, deren Anblick ihn ziemlich überraschten, da er zum ersten Mal so weit in den Süden Englands vorgedrungen war.
Er parkte den Mietwagen neben der Mauer, hinter der die Gärten begannen, überquerte den Hof und klopfte ans Hauptportal. Nach etwa einer Minute bemerkte er die Schiffsglocke neben der Küchentür. Hätte Pip sich in dem Moment nicht zwei Meter unter der Wasseroberfläche befunden, hätte sie das Klingeln gehört, das stets über das gesamte Anwesen und dessen Grenzen hinaus ertönte, sodass nicht nur die Charteris-Frauen und -Mädchen, sondern auch die nächsten Nachbarn Bescheid wussten, wenn sich auf Arandore Besuch ansagte.
Als niemand reagierte, marschierte er zurück quer über den Hof, blieb am Tor stehen und bewunderte die heruntergekommene Schönheit des Hauses. Dann sah er auf die Uhr.
Er hatte sie am Flughafen auf britische Zeit umgestellt, doch nun war er etwas unsicher, ob er sich vielleicht vertan hatte.
Er verglich seine Uhr mit der am Turm, die – was er nicht wissen konnte – notorisch falsch ging. Vielleicht wartete man direkt beim Cottage auf ihn? Auf dem Aushang, den er im Dorfladen gesehen hatte, wurde es als »ländliches Idyll« bezeichnet, und darum ging er nun um das Haupthaus herum und bewegte sich entlang des Weges weiter in die Tiefen der zum Anwesen gehörenden Ländereien hinhein. Irgendwo jaulte ein Hund, und plötzlich stand er an einem kleinen See.
Und zwar genau in dem Moment, in dem Pip einer Wassernymphe gleich aus dem Wasser stieg: Sie hatte Wasserpflanzen auf dem Kopf und auf den Schultern, ihre Haut schimmerte in der Sonne, und die Unterwäsche klebte ihr klatschnass und durchsichtig am Körper.
Natürlich war sein erster Impuls, sich abzuwenden, aber es gelang ihm nicht. Wie verzaubert sah er sie an, eine Sekunde nur, aber lange genug, um von Pip entdeckt zu werden. Ihr peinlich berührter Blick traf seinen, und da wusste er, dass es zu spät war, sich noch hinter den Bäumen zu verstecken und ihnen beiden rote Ohren zu ersparen.
»Es tut mir furchtbar leid, Sie zu stören«, rief er schnell. »Ich bin hier, um mir das Haus anzusehen, das Sie zu vermieten haben.« Was mochte sie wohl von seinem überraschenden Erscheinen halten?
»Sie sind früh dran«, stieß die halbnackte, triefend nasse und fürchterlich auf dem falschen Fuß erwischte Pip hervor, worauf er sofort ein zerknirschtes Gesicht machte.
»Tut mir wirklich sehr leid. Soll ich wieder gehen?«
Da fiel Pip ein, dass dieser Mann möglicherweise Pops Cottage mieten und damit ihre Familie aus ihrer desolaten Finanzlage befreien würde. Schnell schlug sie einen freundlicheren Ton an.
»Ach was, nein, natürlich nicht! Kein Problem! Ich muss nur eben schnell ... äh ... na ja ...« Sie überlegte, wie sie die Situation wohl am besten schönreden könnte, und da ihr nichts einfiel, blieb sie – wie passend – bei der nackten Wahrheit: »Also, ich muss mir eben was anziehen.«
Betreten sahen sie einander an.
»Tut mir leid ...«, sagten sie unisono.
Und zu ihrer beider Erleichterung fingen sie beide an zu lachen.
»Ich drehe mich um«, sagte er und wandte sich ab. »Ich würde ja auch weggehen«, rief er ihr über die Schulter zu, »aber ich fürchte, dann würde ich Sie nicht wiederfinden. Ich würde mich bestimmt verlaufen, das Anwesen ist ja ziemlich groß. Und so schön!«, fügte er noch hinzu, als ihn ein auffliegender Kuckuck ablenkte.
Das brachte Pip zum Lächeln.
Schön war doch schon mal ein guter Anfang.
»Natürlich bin ich hoffnungslos voreingenommen, aber da gebe ich Ihnen vollkommen recht: Es ist wunderschön hier. Ruhig und friedlich ... Dabei sind wir gar nicht so weit von Quinn entfernt, und da ist immer ganz gut was los. Hier hat man also gewissermaßen das Beste aus beiden Welten ...«, fügte sie schnell noch hinzu, da sie nicht wusste, ob der potenzielle Mieter und dringend benötigte Geldgeber nun eher auf »ruhig und friedlich« oder auf »ganz gut was los« stand.
Gleichzeitig versuchte Pip, sich wieder anzuziehen. Es gestaltete sich aber recht schwierig, die Jeans über die nassen Beine zu ziehen, und so hüpfte Pip unkoordiniert herum und plumpste schließlich rückwärts in einen großen Busch Lilien.
Gott sei Dank hatte der Fremde ihr bei dieser Aktion nicht zugesehen – aber den Plumps, das Rascheln und den unterdrückten Schrei hörte er dann doch. Er vergaß seine
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